Ein Tag in Memphis
Vier Dinge standen für heute auf dem Speiseplan, zwei davon tatsächlich habe ich in die Tat umgesetzt: die „Beale Street“ und das „Rock’n Soul Museum“. Für das „Cotton Museum“ hatte ich keinen Nerv mehr und als ich das „Mississippi River Museum“ im Mud Island Park ansehen wollte, hatte der Park bereits geschlossen. Macht nichts. Ich bin, um mich zu wiederholen, sowieso „kein Stadtmensch in dem Sinn“.
Beale Street
Wer Memphis besucht, muß durch die „Beale Street“ laufen. Zehn Minuten Fußweg vom Hotel bringen mich zur Heimat des Blues und der Geburtsstätte des Rock’n Roll.
Vor 100 Jahren war diese Straße allerdings eher eine Variante der Hamburger Reeperbahn. In der Wikipedia ist zu lesen:
„Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war die Beale Street ein Vergnügungszentrum mit Spielhöllen, Saloons, Prostitution, Diebstahl, Mord und Totschlag. Ein bekannter Club war 'The Castle of Missing Men' (das Schloss der verschwundenen Männer, eigentlich 'The Monarch Club'), das direkt an ein Beerdigungsinstitut grenzte, so dass die erschossenen Spieler leicht und unauffällig beseitigt werden konnten.“
Nun ja, dieses Schild am Eingang eines Gartenrestaurants sieht noch gar nicht so alt aus:
Seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrunderts spielt jedenfalls die Musik die dominierende Rolle. In der Beale Street entstand der „Memphis Blues“. Aus jedem Laden, Café oder Restaurant bluest, soult und rockt es, in jedem Hof spielen Bands. Trotzdem: ich war enttäuscht. Die Beale Street ist groß geworden, als die Rassentrennung in den USA denselben Stellenwert wie die Bibel hatte. In Memphis hat das Lebensgefühl von Baumwollpflückern musikalische Gestalt angenommen und eine soziale Revolution in Gang gesetzt. Hier, in Memphis, wurde Martin Luther King am 3. April 1968 erschossen. 40 Jahre vorher standen in der Beale Street die dunkelhäutigen Menschen im Vordergrund und die Weißen waren musikalisch - zunächst - nur Statisten. Unerhört! Welch ein Affront gegen die Menschen erster Klasse.
Heute ist die Beale Street eine Touristenmeile und so authentisch wie Kunstschmuck, ein tunesischer Teppich oder eine „homemade Lasagna“ in einem beliebigen amerikanischen Restaurant. Man versucht, den einbalsamierten Leichnam jeden Abend aufs Neue zu altem Leben zu erwecken, aber wie will man satten Menschen die Musik des Hungers nahebringen? Und umgekehrt, die Touristen laufen huschhusch durch die Straße, freuen sich über die vielen Leuchtreklamen, die billigen Fritten und die Tatsache, dass sie jetzt AUCH in der Beale Street waren. Die Heimat des Blues und die Geburtsstätte des Rock'n Roll ist heute ein musikalisches Fast Food Restaurant. Jedenfalls war das mein erster Eindruck, den ich unter Vorbehalt hier äußere. Schließlich bin ich ja auch nur ein Tourist, der mal eben durch die Beale Street gelaufen ist.
Rock’n Soul Museum
Quelle: www.memphisrocknsoul.org
Nahe der Beale Street ist das „Rock’n Soul Museum“. Sehr empfehlenswert! Ein 15-minütiger Film liefert einen Überblick und macht Laune. Die Details samt Anekdoten und viel viel Musik erläutert der im Ticketpreis enthaltene (englischsprachiger) „Audio Guide“, bestehend aus Kopfhörer und Abspielgerät. Fotografieren ist leider verboten :-(
Einführungsfilm, Museum und Audio Guide sind liebevoll gemacht. Nichts wirkt künstlich, billig oder zu verspielt. Jeder kann in seinem eigenen Tempo und in beliebiger Reihenfolge durch die Räume schlendern und sich alles über Blues, Soul und Rock'n Roll in Memphis ansehen und anhören und zum Beispiel erfahren, warum eine Original Wurlitzer Jukebox leuchten muß und warum „B.B. King“ „B.B. King“ heißt.
Die weiteren Aussichten
Morgen geht’s über den Mississippi River hinüber nach Arkansas. Ich will sehr früh los. Wenn der Radführer nicht lügt, muß ich etwa 140 bis 150 Kilometer bis zum nächsten Campingplatz bzw. Motel radeln. Dazwischen ist nix. Muß, müsste - Hm…
"wie will man satten Menschen die Musik des Hungers nahebringen?" ... i'm loving it.
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