Cahokia, IL - Chester, IL
Tages-Km: 120
Gesamt-Km: 2.151
Streckenprofil: flach, wellig
Wetter: sonnig, leicht bewölkt
Temperatur: 14 - 26° C
Überraschung
Nach dem gestrigen Reinfall in Sachen Abendessen zelebriere ich das heutige Frühstück und gönne mir nach dem ersten auch noch einen zweiten Pancake! Am Nebentisch unterhalten sich zwei Männer. Einer der beiden spricht mich auf meine Tour an und wir kommen ins Gespräch. „Call me Dock“, sagt er, „everyone calls me Dock“. Dock ist kein Vertipper von Doc! Dock ist nach einer ziemlich schweren Herzgeschichte auf dem Weg der Besserung und die Idee mit der Radtour begeistert ihn auf Anhieb. Er bietet mir an, heute mein Zelt heute auf seinem Grundstück aufzuschlagen, aber er wohnt nur 30 Meilen weiter und das ist mir zu wenig; heute will ich mal etwas weniger filmen und fotografieren und dafür mehr radeln. Als die Beiden das Restaurant verlassen, verteile gerade ich liebevoll 1 Liter Syrup über den zweiten Pancake.
Gesättigt und voller Elan will ich zahlen und bekomme zu hören: „Dock paid for you.“ Ich bin baff. Wie das? Als ich das Restaurant verlasse, stehen Dock und sein Bekannter bei den Autos, sind aber immer noch in ihr Gespräch vertieft. Ich gehe auf die Beiden zu, bedanke mich bei Dock (rechts im Bild) und frage ihn, wie ich denn zu der Ehre komme. „I like what you do.“ sagt er und lacht. „Maybe I join you for a couple of days in a few years“, fügt er noch an.
So kann ein Tag beginnen, denke ich und mache mich auf den Weg. Dank Rücken-Seitwind und flachem Gelände lege ich die ersten 54 Kilometer in 1:54 Stunden zurück! Lieber Radlhans und/oder Radlpeter, jeglicher Kommentar unter „awesome, dude“ wird mit einem Kaltgetränk meiner Wahl geahndet!
Maeystown - Ein Dorf im Dornröschenschlaf
Maeystown ist für seine deutschen Wurzeln berühmt. Jedenfalls hier. Keine Ahnung, wie sie es geschafft haben, einen deutschen Mayer, Mayr, Meyer, Meier oder Maier so zu verscribblen, das ein Maeys herausgekommen ist. Auf www.maeystown.com ist zu lesen:
„The picturesque village of Maeystown, nestled in the hills and among the spring-fed streams in one small spot of Southern Illinois was founded in 1852 by Jacob Maeys, who was born in Oggersheim, Bavaria, in 1828.”
Wo sind die Namenskundler? Ist Maeys wirklich ein deutscher Name? Wo sind die Erdkundler? Oggersheim in Bayern, jaja. Klar. Passau liegt dann wohl am Rhein. Nun ja. Das Dorf ist in der Tat in die Hügel hinein genestelt und sieht historisch, hübsch und pittoresk aus. Aber das einzig offene Gebäude ist das „Village Kaffeehaus“.
Im Kaffeehaus gibt’s alles, nur keinen Kaffee. Zu dem, was es stattdessen gibt, sagen die Amerikaner „Antiques“. Ich würde es anders nennen, was ich aus Pietätsgründen hier nicht tue. Alle anderen Versuche, eine der Besonderheiten (Museum, Zeitinger’s Mill, City Hall, Gastwirtschaft), von INNEN zu sehen, scheitern an diversen Variationen dieses Schildes:
Wäre ich Fußball-Reporter, würde ich jetzt in der sprachlich so bewundernswerten Art folgende Bilanz des bisherigen Tages ziehen: „Der Vortrag von Plasa war ordentlich, aber Maeystown fand heute nicht statt!“ Ah, wozu schickt man diese Quatschköpfe auf die Sportreporterschule? Damit sie dann diesen… Ist doch wahr. Was waren das noch für Zeiten als Fußballreporter (in diesem Fall Marcel Reif) formulierten: „Gladbach spielt heute wie Maria Stuart: schön, aber unglücklich.“
Von nun an gings bergauf
Apropos: Ab Maeystown war Schluß mit Seiten-Rückenwind und Beginn der Bodenwellen, die später zu Hügeln wurden. Das drückt den Schnitt. Egal - nach Maeystown´scher Lesart war ich bis jetzt jedenfalls der fliegende Rheinländer.
In Prairie du Rocher hat mich dieses Schild in den dazugehörigen Biergarten gelockt...,
...der aber nur deshalb offen war, damit die Baufahrzeuge so nahe wie möglich an die Baustelle heran konnten: die Gastwirtschaft wird gerade umgebaut und ist - CLOSED. Wieder nix. Prairie du Rocher findet also heute auch nicht statt.
Also weiter. Rechts erstreckt sich das Mississippi River Tal bis zum Horizont, links tauchen wieder die Klippen, die „Bluffs“ auf. Auf der „Bluff Road“ - nomen est omen - muß ich mich ob der magischen Szenerie zwingen, auch mal wieder auf die Straße zu sehen und nicht nur in die Gegend zu schauen.
Was das genau ist, vermag ich nicht zu sagen. Sand? Dreck? Müll? Nun, es sieht gut aus und hat sich damit das Blog-Recht erworben.
Kneip-Kühe? Offenbar haben die illinoischen Bauern Kneip-Kuren für ihre Rinder eingeführt.
Das ist ein „Flagger“. Wo bei uns schnöde Ampeln den Beginn und das Ende einer Baustelle kennzeichnen, stehen hier noch echte Männer.
Ausgerüstet sind sie mit Funkgerät und einem Janus-Schild: ein rotes STOP auf der einen, ein grünes GO auf der anderen Seite. Per Funk heißt es dann „Gäht scho!“ oder „No oana!“ oder „Wos is jetzt? Kemma kemma?“
Um 16:30 Uhr erreiche ich Chester. Na ja, das EINE Ende von Chester. Das ANDERE liegt oben, weit weit oben. Campingplatz gibt es hier keinen. Mit Mühe und Not konnte ich mir noch ein Hotelzimmer organisieren. In einem Hotel am ANDEREN Ende der Stadt.
Der Anstieg war teilweise so steil, dass ich - Radlhans, es ging nicht mehr - schieben mußte. Selbst das habe ich so eben noch geschafft. Ein paar Mal war ich nahe dran, den Hänger vom Rad zu trennen und beide Teile einzeln und nacheinander hochzuzerren. Südtiroler Verhältnisse am Mississippi.
Schieben? "Never surrender - excepting if you have to". Ego te absolvo ...
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