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31. August

Cassville, WI - Dubuque, IA

Distanz: 57 Km
Streckenprofil: H.Ü.G.E.L.I.G !!!
Wetter: sonnig
Temperatur: 10/21° C


Kein Frost heute nacht. Immerhin. Als wir um 07:55 das Sand Bar Motel in Cassville verlassen, ist die Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt. Auf dem Weg zum Frühstücksrestaurant entdecke ich ein Schild "Cassville Ferry open". Ferry? Während Angie schon mal heißen Kaffee bestellt, fahre ich die paar hundert Meter zur Anlegestelle und sehe gerade noch, wie die Fähre langsam im Nebel verschwindet.


Ich fahre zurück und wir beschließen kurzerhand, nach Iowa überzusetzen und den Mississippi River Trail testweise mal auf der iowanischen Seite zu fahren. Wir frühstücken in "Vogt's Town Pump", wo wir wieder auf jede Menge deutscher Spuren stoßen. Unter anderem auch auf dieses Schild einer Brauerei namens Garten Bräu, das verkündet: "German Character in a Wisconsin Beer."


Iowa erweist sich als genau so hügelig, wie wir es befürchtet hatten. Allerdings sähe es auf diesem Streckenabschnitt auch in Wisconsin nicht besser aus. Da es egal ist, wo wir in der Kälte schwitzen, genießen wir die einsame Fahrt durch dünnst besiedelte Gebiete nach Kräften.


Der Vorteil hoher Hügel ist der grandiose Ausblick, sobald man oben ist. Hier zum Beispiel auf das Mississippi River Valley (ein kleines Stückchen Fluß ist sogar zu sehen) und das sich dahinter erstreckende wisconsinische Land.


Der Nachteil von Hügeln besteht darin, dass sie einen auf Dauer zermürben. Auf der gesamten heutigen Etappe waren höchstens 17,3 Meter eben. Der Rest war entweder auf- oder abwärts. Trotzdem - eine ausgesprochen schöne Etappe. Zum einen wegen der bereits erwähnten traumhaften Panoramablicke, zum anderen wegen der vielen fehlenden Autos. So ruhig hatten wir es bisher nur auf dem Paul Bunyan Trail und der Fußgängerbrücke in Minneapolis.

In Balltown kehren wir im Restaurant Breitbach ein, dem ältesten Restaurant Iowas . Auch hier sind die deutschen Spuren unverkennbar. In Sachen Rechtschreibung ist man seiner Zeit sogar voraus und schreibt in vorauseilendem Gehorsam, was nach der nächsten Rechtschreibreform bestimmt korrekt sein wird.


Mike Breitbach Sr. ist begeisterter (Rad-)sportler und war natürlich neugierig auf unsere Geschichte. Als sich dann herausstellte, dass wir aus Deutschland sind, haben wir die große Tour durch das Haus bekommen und dabei hat uns Mike SEINE wirklich unglaubliche Geschichte erzählt. Es folgt die Kurzfassung.

Am Heiligen Abend 2007 ist das älteste Restaurant Iowas bis auf die Grundmauern abgebrannt. Fast neun Monate lang arbeiteten teilweise bis zu 70 Personen am Wiederaufbau. Alles Freiwillige, alle unbezahlt. Den Gastronomiebetrieb haben die Breitbachs während dieser Zeit im nahegelegenen Geräteschuppen unter unvorstellbaren Bedingungen ohne einen einzigen Ruhetag aufrecht erhalten. Vier Monate nach der Wiedereröffnung brannte das Restaurant erneut komplett ab. Die wenigen Dinge des Orgiginal-Restaurants, die den ersten Brand überlebten, fielen dem zweiten Brand zum Opfer. Mike Breitbach: "Wir wußten nicht, ob wir weitermachen oder aufgeben sollen. Ohne Freiwillige schaffen wir das nicht, aber ich will die Hilfsbreitschaft der Leute nicht noch einmal so lange in Anspruch nehmen. Und bezahlen könnte ich sie niemals." Die Leute haben für ihn entschieden und gemeinsam das Restaurant zum zweiten Mal von Grund auf gebaut. Diesmal ausgerüstet mit einer hochmodernen Sprinkleranlage. Wieder halfen zig Freiwillige monatelang, ohne einen einzigen Cent dafür zu erwarten. Wer mehr (in englischer Sprache) erfahren will, klicke hier.

Kurz vor Dubuque kommt uns eine Radlerin entgegen, bremst, winkt und will unsere Geschichte wissen. 20 Sekunden später lädt sie uns ein, bei ihr zu übernachten. Ruth ist eine pensionierte Lehrerin, ihr Mann Ralph ist Professor für amerikanische Geschichte und ebenfalls im Ruhestand. Zusammen haben die beiden fünf Fahrräder in iherer Garage versammelt. Das Auto steht davor. Während ich am Wohnzimmertisch den Blog tippe, hämmert Ralph einen Artikel für die örtliche Zeitung in seinen Computer.

30. August

Prairie Du Chien, WI - Cassville, WI

Distanz: 62 KM
Streckenprofil: hügelig
Wetter: sonnig
Temperatur: 9/16°C (SAUKALT!)

Nachdem Minnesota in den schlimmsten Regenfällen seit 30 Jahren fast ertrunken ist, droht Wisconsin nun zu erfrieren. Wieder sitzen wir in der ersten Reihe. „Noch nie war es um diese Zeit so kalt“, hören wir ständig. Ja mei.


Kurz nach Prairie Du Chien verlassen wir den vertrauten Highway 35 und fahren auf kleinen Landstraßen weiter, den „County Roads“. Der Guide weist ausdrücklich darauf hin, dass es ab jetzt hügelig wird: „The hills are not steep but they will get your attention.“ Kann man wohl sagen. Gleich der erste Anstieg ist fast fünf Kilometer lang. Erstmals erlebe ich die Auswirkungen des Anhängers auf längere Zeit und frage mich, warum man jeden erdenklichen Unsinn erfunden hat, zum Beispiel Palmtops oder Nagellack, aber nichts gegen den Schnupfen und die Schwerkraft.


Oben angekommen bin ich - wie immer - klitschnass. Es pfeift ein eisiger Wind und ich ziehe mich in 2,9 Sekunden komplett um. Die nassen Klamotten kommen auf den Anhänger, wo sie im Wind trocknen sollen, bis ich sie das wieder brauche, also am Scheitelpunkt des NÄCHSTEN längeren Anstieges. Dieser natürliche Wäschetrockner funktioniert übrigens hervorragend. In 10 bis 15 Minuten ist alles wieder trocken. Auf diese Weise wechseln sich Rad-Garnitur 1 und 2 ständig ab und ich vermeide eine Erkältung, die ich nun mal weder mit einem Palmtop noch mit Nagellack kurieren könnte. Puristen werden jetzt etwas von „sauber“ und „frisch“ einwenden. Leute! Wo in der Prärie stehen Waschmaschinen herum? Und selbst wenn - alle 20 Minuten eine 45-minütige Waschpause einlegen… da könnte ich den Mississippi vergessen und müsste stattdessen die Alz oder den Mühlbach entlang radeln. Nein, Waschmaschinen gibt’s am Campingplatz oder im Motel und bis dahin schlüpft der Tourenradler mit Genuß zum siebenundzwanzigsten Mal in die ungewaschenen, aber frisch getrockneten Klamotten.

Auf einer Hochebene zuckeln wir auf einsamen Straßen zwischen riesigen Maisfeldern hindurch.


So sehen wir aus der Grashüpferperspektive aus.


Bei einem dieser gewaltigen Maisfelder hat man ein fußballplatzgroßes Areal ausgespart und nutzt die Wiese als Friedhof.


Ich kenne diese typischen amerikanischen Natur-Friedhöfe zwar schon von meinen früheren Reisen, bin aber immer wieder aufs Neue berührt. Wer meine Einstellung zu Religion kennt (ich halte sie für heilbar), der weiß, dass ich religiösen Kultstätten gegenüber eine gewisse Distanz an den Tag lege. Bei diesen Natur-Friedhöfen ergeht es mir anders. Von dem für den südbayrischen Katholizismus typischen düsteren und verqueren Hang zur seelischen Atemnot ist hier nichts zu spüren. Luftige Anhöhe statt Jammertal, friedliche Natur statt einem Haupt voll Blut und Wunden. Schmerz ja, Gram nein. Ich denke unwillkürlich an Raymond Chandlers Romantitel „The Big Sleep“. Hier begräbt man keine Toten, hier bettet man sie.

Am meisten hat mich ein unscheinbares Grab berührt, das eine Tochter für ihren im Vietnamkrieg gefallenen Vater so gestaltet hat, wie es eine deutsche Friedhofsverordnung wohl kaum zulassen würde.


Das Gedicht auf der kleinen Tafel würde im literarischen Quartett vielleicht nicht bestehen, aber es sagt in wenigen Zeilen mehr als viele lyrischen Ergüsse von Literaten:

Dad,
how well I do remember the special times we had,
the times and seasons of my life
with a very special dad.

How well I do remember
the day God called you home
you slipped into his loving arms and I felt so alone.

Now my heart will carry memories
of the love you gave to me
until we meet again in heaven
where the best is yet to be

29. August

Abstecher nach McGregor, Iowa


Zum Frühstück sind wir mit Neal Moore verabredet, dem CNN Journalisten, der den Mississippi River mit dem Kanu bezwingt und dabei eine Reportage über nachhaltige Landwirtschaft in den USA dreht. Interessierte mögen einen Blick auf www.flashriversafari.com werfen. Neal stammt aus Los Angeles und hat die letzten 20 Jahre in Südafrika und Asien verbracht. Seit Juli ist er mit dem Kanu auf dem Mississippi River unterwegs. Kurz vor Weihnachten wird er in New Orelans ankommen.

Um 08:45 radeln über den Mississippi River, hinüber nach Iowa. Eine Meile flußabwärts treffen wir uns im Great River Café. Neal wohnt während seines Zwischenstopps in McGregor auf der Farm von Greg und seiner Familie. Greg ist kein gewöhnlicher Farmer. Seit 15 Jahren betreibt er seine Viehwirtschaft chemiefrei.


McGregor ist ein charmantes kleines Städtchen mit historischem Flair und erinnert mich sofort an all die amerikanischen Filme, die ich gesehen habe, als Nachrichtensprecher noch Dinge gesagt haben wie z.B. "bekannt aus Funk- und Farbfernsehwerbung". Entlang der Main Street drängeln sich kleine Läden, Cafés und Wohnhäuser. Motorräder und Autos passen nicht in diese Stadt. Pferde und Droschken müssten es sein.


Ein Hauch vom wilden Westen im hohen Norden:



Kaum zu glauben, dass diese Kleinstadt am Mississippi River einmal der weltweit größte Umschlagplatz für Getreide war. Damals, im 19. Jahrhundert. "Aus ganz Iowa kamen die Bauern hierher nach McGregor und bildeten kilometerlange Schlangen, um ihre Ladung auf diese gewaltigen Mississipi-Dampfer zu bringen, die dann die Fracht hinunter hinunter nach St. Louis und weiter nach New Orelans und von dort in die ganze Welt transportiert haben" sagt Greg, der mit Nachnamen Koether heißt. Als Greg uns seinen Nachnamen buchstabiert, fügt er an: "My daugther learned German and she told me that my name means something like 'dirty dog' in your language. Is that right?". "Ja", sagen wir, "ein Köter ist ein schmutziger Hund". Greg freut sich sehr über diese Bedeutung seines Namens und gibt uns gratis einen landwirtschaftlichen Crashkurs, indem er uns erklärt, wie man mit der richtigen Beweidung chemiefreie Landwirtschaft betreiben kann. Wieder was dazu gelernt.

Ein paar Kilometer südlich von McGregor liegt der "Pikes Peak State Park", der einen überwältigenden Panoramablick bietet. Das folgende Bild zeigt die Mündung des Wisconsin River in den Mississippi River.


Am Abend sind wir zum Street Dancing" eingeladen. In Luana, einem 150-Einwohner-Dorf spielt die Band "Southern Comfort", DER Event des Sommers. In Luana. Als Bühne muß ein alter Heuwagen herhalten, die Dorfjugend im Alter von 21 (Mindestalter für derartige Veranstaltungen, von etwa 70% der Anwesenden unterschritten) bis 75 Jahren versammelt sich auf der Mainstreet vor dem Heuwagen - und tanzt. Tanzen ist auch die einzige Möglichkeit, die Temperaturen von um die 10° Celsius zu überleben. Ich bin in kurzen Hosen und friere wie ein nackter Pudel in Sibirien. Für morgen ist der erste Frost angesagt. "Der schlimmste Sommer seit ...", "der kälteste August seit ..." Überall bemitleidet man uns, weil wir mit dem Rad unterwegs sind. Greg stellt uns allen seinen Bekannten vor (Greg kennt jeden hier), was für ausreichend Bewegung sorgt, um nicht zu erfrieren.

Greg und seine Tochter Kayla beim Street-Dancing:


Obwohl wir uns erst seit heute kennen und auch da nur für wenige Stunden zusammen waren, fällt der Abschied schon wieder schwer. Jeder umarmt uns und mit einem Kloß in der Kehle verlasse ich Luana.

28. August

Genoa, WI - Prairie Du Chien, WI

Distanz: 68 Km
Streckenprofil: flach / leicht wellig
Wetter: sonnig
Temperatur: 13 / 23 °C



Bis gestern konnte man aus dem Weltall mit bloßem Auge nur EIN von Menschenhand geschaffenes Werk erkennen: die Chinesische Mauer. Ab heute werden Astronauten auch Angie problemlos ausmachen können - vorausgesetzt sie trägt das neue Rad-Trikot, dessen Foto ich aus Angst vor Regressforderungen deutscher Krankenkassen nicht in diesem Blog veröffentliche...

Jetzt der versprochene Nachtrag zum Rätsel von vorgestern: der Handbremse, hier im gelösten Zustand zu sehen.


Und hier ist sie angezogen.


Der 3-fach abgestufte Hartplastik-Keil wird mit einer reißfesten Schnur ist am Gang-/Bremsseil direkt neben der Vorderbremse festgebunden. Damit ist er immer dort, wo er gebraucht wird und kann nicht verloren gehen. Eine Nut knapp unter dem Durchmesser des Bowdenzugs erlaubt es, die Bremse während des Fahrens festzuklemmen (siehe Bild 1). Sobald der Radler das Rad abstellt und ein weiteres Bewegen des Rades verhindern will, zieht er die Handbremse an. Jeder Tourenradler, dem schon einmal das Rad mit allem Drum und Dran umgefallen ist, weiß diesen Vorteil zu schätzen. Bislang hatte ich mir immer mit einem Eigenbau, einer Kombination aus Zeltspanne-Gummi und Kabelbinder beholfen. Hat ja auch wunderbar funktioniert. In einem amerikanischen Radladen habe ich gleich zu Beginn dieser Tour den Handbrems-Keil gefunden. Zwei Stück lagen ganz hinten im Regal, 70er-Jahre Flair, ziemlich angestaubt, die Aufschrift vergilbt. Niemand in dem Laden wußte, dass es die Dinger überhaupt gibt, geschweige denn was sie kosten. Wir haben uns auf 99 Cent geeinigt und ich habe offenbar die letzten beiden ihrer Gattung erstanden.

Wer sich nicht recht vorstellen kann, wozu man am Fahrrad eine Handbremse braucht, der belade sein Rad mit 4 vollen Packtaschen (ersatzweise großen, vollen Plastiktüten), stelle es dann auf einer abschüssigen (oder ansteigenden) Straße auf den Seitenständer und versuche, aus mindestens zwei der Taschen den jeweils ganz unten vergrabenen Gegenstand herauszufischen. Wer sich so etwas nicht vorstellen mag bzw. kein Rad oder Plastiktüten besitzt, der fahre ersatzweise am nächsten Sonntag die Großglockner Hochalpenstraße hinauf, bleibe an einer beliebigen Stelle stehen und steige aus, ohne jedoch die Handbremse zu ziehen oder einen Gang einzulegen.

Zurück zum Mississippi River Trail und der heutigen Etappe. Sieht man von der gestrigen Verkehrshektik um LaCrosse einmal ab, ist der Highway 35 mit einer Einschränkung (dazu gleich) ideal zum Tourenradeln: wenig Steigungen, meistens guter Straßenbelag, fast immer ein ausreichend breiter Standstreifen (Shoulder) - und der Mississippi River fast immer in Rufweite. Es gibt nur eine Einschränkung, die uns trotz pannensicherer Reifen zwei Platten innerhalb von 24 Stunden beschert hat: Im Abrieb von LKW-Reifen sind auch feine, aber bösartige Metallsplitter enthalten. Diese Reifenkiller sammeln sich zu Tausenden auf der Standspur.

Dem Gesetz der großen Zahl folgend ist ein Platten nur eine Frage der Zeit. 99,95 % dieser Splitter liegen entweder nicht in der Spur des Radlers oder der Reifen rollt einfach drüber weg, nimmt sie vielleicht auch mal eine Umdrehung mit - aber sie richten kein Unheil an. Aber irgendwann passiert es doch und einer dieser elenden Splitter bohrt sich in den Mantel. Bei einer Länge von ca 1 cm hilft auch der beste Pannenschutz nichts. Ohne Zange bekommt man die Dinger auch gar nicht mehr aus dem Mantel. Bei den Pannenschutzreifen zieht man dann wie bei einer Zahnextraktion ziemlich kräftig, bis man den Übeltäter entfernt hat.

Wer nur den Schlauch flickt oder wechselt, nicht aber den Mantel auf spitze Gegenstände überprüft, hat es nicht besser verdient und wird nach etwa 200 Meter erneut mit einem Platten stehen bleiben. Diesen Fehler macht jeder nur ein einziges Mal. Das Problem dieser Abriebsplitter kannte ich schon von meiner ersten großen USA-Reise und war mit VIER Ersatzschläuchen ausgerüstet (zwei pro Rad). Die Splitter finden sich nur auf Straßen (bzw. deren "Shoulder") mit hohem LKW-Aufkommen. Meine ernsthafte Empfehlung für jeden, der in den USA Langstreckentouren fahren will: Mindestens zwei Ersatzschläuche (pro Fahrrad) auf Vorrat haben und diesen Vorrat nach jeder Panne sofort wieder aufstocken. Ich habe die allerbesten Erfahrungen mit dem "Schwalbe Marathon Plus" gemacht, der (fast) alles im wörtlichen Sinne wegsteckt. Jedesmal wenn das Rad unrund gelaufen ist und dieses rhythmische Klick-Klick-Klick zu hören war, habe ich die Reifen nach diesen Splittern abgesucht, die Findlinge mit der Zange herausgezogen, bin wieder auf's Rad gestiegen und weiter gefahren. Beim hiesigen Radhändler bekommt übrigen man keine Schwalbe-Reifen. Jeder kennt sie oder hat von ihnen gehört, aber keiner hat sie auf Lager. Aber bei Amazon.com (nicht .de)! kann man sie (und viele andere Rad-Teile) bestellen. Notfalls per Express ins Motel oder zum Campingplatz liefern lassen und zwei Tage später ist Weihnachten.

Nach all dem technischen Gequake noch ein paar Bilder der heutigen Etappe:

In Ferryville hat man mit viel Liebe diese Aussichtsplattform geschaffen. Hier ans Geländer lehnen und einfach nur hinaus schauen, geht unter die Haut. Trotz Autos wird es still.


In Prairie Du Chien ist mir dieser leicht aus der Mode gekommene Traktor aufgefallen, an dem eines der in den USA beliebten fahrbaren Häuser hängt.


Das wäre doch ein ideales Konzept für all die Deutschen, die es zwar im Urlaub immer ins Ausland zieht, wo dann aber bis aufs Wetter alles so wie zuhause sien soll. Wozu der Stress mit dem Wohnwagen, wenn ich auch mit dem HAUS verreisen kann? Zugegeben, der Jaufenpass wird knifflig und der Tauerntunnel ziemlich eng. Aber Holland ist von fast jeder deutschen Stadt gut zu erreichen und in der Hauptreisezeit sollten sich dort auch eine Menge geeigneter Stellplätze finden lassen.

Ich mag lustige Verkehrs- oder Hinweisschilder und schließe mich wieder einmal Siegfried Zimmerschieds Behauptung an: "Die Satire holt die Realität niemals ein." Ich wüßte zu gern, ob sie das das Schild entfernen, aus "09" ein "10" machen, das Motel endlich bauen oder wenigstens den Schutthaufen beseitigen, bevor die Leute auch noch ihre ausgedienten Fernseher und Couchgarnituren dazu stellen.



27. August

Trempealeau, WI - Genoa, WI

Distanz: 64 Kilometer
Streckenprofil: flach
Wetter: leicht bis stark bewölkt, aber trocken

Ahh! Gerade fällt mir ein, dass ich ja ein Foto zur Lösung des Rätsels von gestern machen wollte. Das Bild zur Lösung muß ich nachliefern, die Antwort folgt jetzt: es handelt(e) sich um eine Handbremse, unverzichtbar für den Tourenradler. Nun, jedenfalls unverzichtbar für MICH.


Heute haben wir den Highway 35 von seiner unangenehmen Seite erlebt. Die größeren Städte "Holmen" und "LaCrosse" sorgen für ziemlich viel und stressigen Verkehr. Allerdings tragen wir einen Teil der Schuld selbst, da wir auf den ersten 40 Kilometern NICHT dem Guide sondern dem Highway 35 gefolgt sind. Und zwar aus zwei Gründen: erstens wäre der vorgeschlagene Weg wieder der Wald-, Wiesen- und Wanderweg von gestern gewesen, aber mein Rad mag Asphalt nun mal wesentlich lieber. Zweitens - und entscheidend - EINE Panne, EINE unfreiwillige Pause von mehr als 3,2 Sekunden und die Mücken verwandeln Dich in etwas, gegen das Ötzi saftig wirkt. Lieber 1.000.000 Autos als 10.000 Mücken. Die Mückenplage ist dieses Jahr besonders schlimm, weil der regenreichste August seit 30 Jahren (!!!!!!!!!!!!) die Mückenpopulation in ungeahnte Dimensionen getrieben hat. In den ersten zwei Augustwochen hat es hier mehr geregnet als im April, Mai, Juni und Juli zusammen. Wann sind wir gestartet? Anfang August. Und mit uns kam der Regen in den Norden der USA. Mit etwas Glück verehren Sie uns ab Kentucky als "Rainmaker aus Germany".

Noch kurz ein Wort zum "Pleasant Knoll Inn" (www.pleasantknollinn.com) in Trempealeau, Wisconsin. Das Bild zeigt zwar nicht unser Zimmer, aber immerhin den Frühstücksraum, der neben einem Blick auf den Mississippi River und einer ordentlich bestückten Frühstücksbar auch einen Whirpool bereit hält. Wer kennt die Szene aus "Kottan ermittelt", in welcher der Polizeipräsident zur Titelmelodie des Weißen Hai und im Plantschbecken sitzend nach "mehr Sprudel" verlangt?


Ich habe mich längere Zeit mit dem Chef des Hauses unterhalten. Woher das "Knoll" kommt, habe ich zwar nicht herausgefunden. Dafür umso mehr über die ökologische Ausrichtung des Besitzers; eine Eigenschaft, die in den USA ungefähr so populär wie Feminismus im Iran. Wir finden am Frühstücksbuffet weder Styropor noch Plastik sondern ... hm ... Papier? Jedenfalls sind Teller und Schüsseln aus einer Art Pappe, die man vermutlich sogar essen könnte, wenn man denn wollte. Womit sie sich in Konsistenz und Geschmack auch kaum von dem unterscheiden dürften, was der Amerikaner gerne als "Toastbrot" bezeichnet. Fazit: Pleasant Knoll Inn - sehr empfehlenswert! [Nachtrag am 29. August: "Knoll" bedeutet "Hügel, Hügelchen, Erdaufwurf"]

In einem Coffee Shop in LaCrosse entdecke ich diese Plakette:


"Too bad you are not around here between September 25th and October 3rd" sagt die Dame an der Kasse zu mir. Zusammen mit München zelebriert man in LaCrosse das Oktoberfest. Ich hätte zu gerne den Oberbürgermeister von LaCrosse gehört, wenn er der grölenden Menge zuruft "Ozapft is!" Gibt es eigentlich 100-Liter-Bier-Dosen?

Trotz aller Verkehrshektik finden wir immer wieder Rastplätze mit grandiosem Blick.


Abendstimmung kurz vor Genoa, wo wir uns im "Great River Inn" einquartiert haben.



26. August

Pepin, WI - Trempealeau, WI

(Man möge mir heute Rechtschreib- und sonstige Fehler mehr als sonst nachsehen. Ich sitze im Freien, tippe mit einer Hand und kämpfe mit der anderen gegen Mücken. Vergeblich)


Distanz: 87 Kilometer
Streckenprofil: anfangs wellig, dann flach
Wetter: sonnig, leichter Seitenwind

Für heute ist Traumwetter angesagt. Da lässt es sich leichter verschmerzen, dass ALLE Restaurants, Bars, Bistros, Cafés und Bäckereien geschlossen haben anstatt uns ein ordentliches Frühstück zu kredenzen. Also wieder mal Tanke. Dort gibt es immer Kaffee und meistens auch noch was halbwegs Essbares. Plan B lautet „Zweites Frühstück“. Wir müssen nur vor 11:00 Uhr ein geeignetes Etablissement auftreiben. Ab dann stellt die Küche von Frühstück auf Mittagessen um. In Alma werden wir fündig, aber es ist 11:12 Uhr. Die Küche ist flexibel und wir bekommen unser ersehntes Frühstück! Es lebe der Service in den USA! In Deutschland müssen die Kellner immer "in der Küche nachfragen". Wen fragen sie da? Die Küche? "Du Küche, darf der Koch noch ein Frühstück servieren, obwohl es schon 12 Minuten über die Zeit ist?" Und die Küche antwortet: "Nein! Sollen sie doch gefälligst rechtzeitig kommen, diese Kunden." Oder den Koch? Seit wann hat der Angestellte zu entscheiden, ob der Kunde das Gewünschte bekommt? Wie dem in Deutschland auch sei, hier ist es anders und hier ist es gut.

Dass wir auf einem Highway unterwegs sind, glaubt man auf den ersten 45 Kilometern der heutigen Etappe einfach nicht. Statt Motorenlärm lauschen wir dem Brüllen der Grillen, die beinahe zum Tinitusrisiko werden. Immer wieder ist der (für meine Ohren so fremde) Schrei eines Habichtes zu vernehmen, die hier in Rudeln auftreten. In einem kleinen Waldstück guckt mich ein Reh neugierig an und ich frage mich, ob ich Opfer von Versteckte Kamera bin und man mit enormem Aufwand den Highway für zwei Stunden gesperrt und aus den umliegenden Zoos die Tiere angeschleppt hat.

Das ist der Chippewa River, der gleich hinter der nächsten Kurve in den Mississippi River mündet.


Rätsel des Tages: Was ist das Ding da am Brems-Gangseil? Kommentare mit Vorschlägen erbeten. Die Auflösung folgt im nächsten Blogeintrag.


Der Hermann, nachdem diese Straße hier benannt ist, heißt/hieß mit Nachnamen „Street“. Woraus dann die „Herman Street Road“ wird.


Humor, die Zweite: Auf dem „Great River State Trail“ ist es offenbar erlaubt, auf Radler zu schießen, während es verboten ist, mit dem Schneemobil auf dem Gras zu fahren. Wer um alles in der Welt will bei 32 Grad mit einem Schneemobil fahren?



25. August

Bay City, WI - Pepin, WI


Distanz: 39 Kilometer
Streckenprofil: Hügelig (Great River Road, Highway 35).
Wind: sanfter Seitenwind
Wetter: Schwülwarm, Regen, Niesel, stark bewölkt

Wer den Eintrag von gestern gelesen hat, weiß, dass die Nacht kurz und nass war. Deshalb fasse ich mich heute kurz.
Ich: müde, schlapp Kopfschmerzen.
Wetter: siehe oben.
Ziel: möglichst schnell in ein Motel und Duschen, Waschen, Essen, Schlafen.


Wegen des trüben Wetters gibt es nur dieses Foto von der heutigen Mini-Etappe. Und das hat auch nur überlebt, damit wenigstens EIN Bild im Blog zu sehen ist. Die heutigen 39 Kilometer der (eigentlich) traumhaft schöne Strecke entlang des Lake Pepin ist viel zu schade, um sie im Regen zu verschwenden. Morgen scheint wieder die Sonne, Licht und Farben kehren zurück. Gute Nacht.


24. August

Hastings, MN - Bay City, WI

Die Anfragen nach Daten, Zahlen, Fakten häufen sich: Wie viele Kilometer? Geht’s rauf, runter oder eben dahin? Windstill, Rücken- oder Gegenwind … Dinge, die Radreisende mehr interessieren als Nicht-Radreisende. Als Kompromiss schlage ich vor, dass ich zu Beginn jedes Blogeintrages stichwortartig diese Fakten nach folgendem Grundsatz liefere: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Einverstanden? Gut. Also dann:
  • Distanz: 58 Kilometer
  • Streckenprofil: Die ersten 40 Kilometer hügelig, dann flach.
  • Nur Straßen (keine Radwege); anfangs stark (Highway 61), dann kaum befahren (Highway 35).
  • Wind: 58 Kilometer Gegenwind (mittel bis stark)
  • Wetter: sonnig, blauer Himmel


Der Mississippi River Trail folgt in Wisconsin der „Great River Road“. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, werden wir etwa 400 Kilometer in Wisconsin zurücklegen. Dann geht’s in Illinois weiter.


Die ersten Kilometer auf dem stark befahrenen Highway 61 sind eklig. Aber ab Prescott wird es zwar ruhiger, aber auch hügelig (@Bryan: you told us about the hilly territory in Wisconsin. I was hoping you would exaggerate. You didn't. There is a faint resemblance to Texas Hill Country, though Wisconsin will be over in about 4 days while Texas lasted a little bit longer :-)

Auf dem Highway 35 fahren wir hügelauf- hügelab: zwei Kilometer bergauf, zwei Kilometer bergab, zwei Kilometer bergauf, zwei Kilometer bergab … Ich kenne das aus dem Allgäu und dem „Texas Hill Country“. Auf Dauer ist Demut gefragt, ansonsten verzweifelt man. Zum ersten Mal darf/muß ich mit meinem Anhänger bergauf fahren. Die maximale Steigung beträgt 5% bis 7%. Normalerweise fahre ich das samt Gepäck mit etwa 11 – 14 Km/h. Mit meinem neuen und gut beladenen Anhänger komme ich kaum über 9 Km/h.

Das Schöne am Schmerz ist immer der Moment, in dem er nachlässt, das Schöne an Hügeln ist die Aussicht, wenn man endlich oben ist. Immer wieder legen wir an Aussichtspunkten wie dem folgenden eine kurze Verschnaufpause ein und genießen den herrlichen Blick auf den Mississippi River.


Hügeliges Terrain regt den Appetit an. Am „Diamond Bluff“ (www.diamondbluff.com) legen wir eine Brotzeitpause ein und genießen die regionale Küche. Damit wir den (ausgezeichneten) Burger auch wirklich genießen können, stellt uns die Wirtin einen Eimer voll Senf, Ketchup und sonstigen Errungenschaften der amerikanischen Haute Cuisine auf den Tisch. Ahh, Radeln macht hungrig. Yam!


Dieses Auto war das einzige auf einem Areal von mindestens 3 Fußballplätzen. Ob Herr Gilbertson mit Batterien und Reifen seinen Umsatz macht?


In Bay City entdecken wir einen Wegweiser zum "Bay City Campground". Dort angekommen ist zwar kein Mensch zu sehen, aber ein Hinweisschild informiert uns darüber, dass irgendwann irgendjemand vielleicht oder auch nicht vorbei kommt, um 15 Dollar zu kassieren.


Wir stellen das Zelt an einem Platz auf, für den andere andere umbringen würden, nur um anschließend festzustellen, dass man großzügig auf Duschen verzichtet hat. Kein Problem, denn wir haben eine mobile Dusche dabei. Mit 6 Litern (natürlich Nicht-Trink-)Wasser aus diversen Trinkflaschen kann man prächtig duschen.

3 Meter vom Zelt entfernt trete ich dann beinahe (barfuß!) auf die erste Schlange dieses Urlaubs. In Wisconsin, wo es 8 Monate lang Winter und 6 Wochen Sommer ist!!! Wie soll das erst in Mississippi und Louisiana werden? Gelb-Grün, etwa einen Meter lang, aber nur daumendick schlängelt das Reptil hektisch ins hohe Schilf, während ich mich erst 10 Sekunden später wieder aus der Erstarrung löse und beschließe, heute nacht unter keinen Umständen aus dem Zelt zu gehen. Zu früh gefreut.

Um 04:00 Uhr weckt mich ein Wetterleuchten, das in den folgenden 60 Minuten immer wilder wird. Um 05:00 Uhr setzt plötzlich starker Wind ein und um 05:02 Uhr flüchten wir mit den Rädern unter das schützende Dach des nahen Pavillon. Das Zelt ist wasserdicht, wir wollen eigentlich nur die Räder unterstellen, da wir die Taschen über nacht an den Rädern lassen. Der Platzregen schneidet uns den Rückweg ab und wir sitzen fröstelnd im Pavillon und sehen dem Inferno zu. Als ich Angie nach ein paar Minuten frage, ob sie in der überstürzten Flucht den Zelteingang auf IHRER Seite auch wieder geschlossen hat, antwortet sie: "Zu 80%"... Das sind 20% zu wenig und ich laufe barfuß zum Zelt zurück. Schlangen schlafen jetzt. Das Zelt ist offen, aber auf wundersame Weise sind nur ein paar Tropfen ins Zeltinnere gelangt. Ich schließe die 20% und komme 30 Sekunden später tropfnass wieder im Pavillon an. Aber in den Packtaschen ist ja trockene Kleidung. Gegen 06:00 Uhr holt der Regen kurz Luft. Wir nutzen diesen Moment und legen uns wieder schlafen.

23. August

Minneapolis - Hastings


Die „Twin Cities“ (Minneapolis und St. Paul) verfügen über ein ausgeklügeltes, hervorragend gepflegtes, ausgezeichnet dokumentiertes und in jeder Hinsicht beneidenswertes Radwegenetz. Der Mississippi River Trail ist zwischen den Twin Cities meist zweispurig (mit Mittelstreifen) und vom Fußweg sowie der sehr ruhigen Straße durch einen breiten Grünstreifen getrennt. Alle paar Hundert Meter sind Bänke, Tische und Grillplätze.

Als ich so vor mich hinträumend die volle Breite des Radweges ausnutze, ruft plötzlich jemand direkt hinter mir etwas Unverständliches. Ich fahre rechts ran und entschuldige mich reflexartig bei zwei Rennradlern (ER und SIE), die zu mir aufgeschlossen haben. ER beschwichtigt sofort: „No no, you did nothing wrong. We just saw your Bikes and all the Gear and now we want to know your Story.“ Und schon sind wir gut 15 Minuten damit beschäftigt, unsere Geschichte(n) zu erzählen. Wir erzählen sie noch ein paar Mal heute: die Twin Cities sind ein Radlerrmekka und an einem sonnigen Sonntag sind ALLE unterwegs. Unter all den Rennradlern fallen schwer bepackte Tourenradler natürlich besonders auf.

Südlich von St. Paul verläuft der (geteerte) Radweg eine Weile auf dem Damm und erinnert entfernt an den Oder-Neiße-Radweg. Wäre da nicht der 57 Kilometer lange Union Pacific Güterzug mit vier gewaltigen Zugmaschinen, der beharrlich neben uns her kriecht. Als wir eine Pause einlegen, kommen die Giganten mit Gekreische, Gezische und Gequietsche ebenfalls zum Stehen. Ich bin gespannt, ob die Lok uns nach unserer Geschichte fragt. Von unserem Gepäck kann sie jedenfalls nicht sonderlich beeindruckt sein.


Kurz vor Hastings, dem heutigen Etappenziel, versuche ich ein Foto mit Selbstauslöser und schneide mir dabei glatt die Füße ab. Schade, denn Licht und Stimmung waren einfach perfekt.


Minnesota, der nördlichste Bundesstaat entlang des Mississippi River Trails, ist mit der heutigen Etappe abgehakt. Ab jetzt geht es in Wisconsin weiter.


22. August

Minneapolis

Ich stehe um 07:00 Uhr morgens auf, um die beliebte und belebte "Stone Arch Bridge" (http://stonearchbridge.com) einmal OHNE Menschenmassen zu erleben. Die rund 300 Meter lange Brücke über den Mississippi River wurde 1883 als Eisenbahnbrücke gebaut. Heute ist sie die berühmteste Rad- und Fußgängerbrücke über den Mississippi River und eines der Wahrzeichen von Minneapolis. Während die Stadt langsam aufwacht, genieße ich fröstelnd den freien Blick auf die Skyline von Minneapolis und die St. Anthony Falls (rechts im Bild gerade noch zu erkennen).


Pünktlich um 11:55 Uhr ergattern wir die besten Plätze auf der "Minneapolis Queen" und freuen uns auf eine 90-minütige Mississippi-Rundfahrt, die auf der Webseite (www.twincitiescruises.com) so angekündigt wird: "Enjoy the sights of historic downtown Minneapolis with narrated tour complete with a lock through the largest lock on the Mississippi River, at St. Anthony Falls, while viewing the new 35W bridge!"


Für Marketingspezialisten sollte man das Strafrecht verschärfen:

12:00 Schiff legt ab
12:04 Schiff erreicht Schleuse (Lock)
12:05 Schleusentore schließen sich
12:06 Wasserstand in Schleuse sinkt
12:07 Wasserstand in Schleuse sinkt
12:08 Stadt verschwindet aus Blickfeld
12:09 Wasserstand in Schleuse sinkt
...
12:15: Schleuse öffnet sich
12:16: Schiff fährt aus Schleuse
12:17: Schiff dreht um
12:18: Schiff fährt wieder in Schleuse
12:19: Schleusentore schließen sich, Downton wieder weg
12:20: Wasserstand steigt
12:21: Wasserstand steigt
12:22: Wasserstand steigt
...
12:30: Downtown wird langsam wieder sichtbar
12:31: Schleusentore öffnen sich, Schiff fährt aus Schleuse
12:32: Schiff fährt stromaufwärts
12:45: Schiff passiert Ablegestelle und fährt weiter stromaufwärts
13:10: Schiff dreht um
13:29: Schiff legt an
13:30: Wir gehen von Bord

Neben der Schiffsfahrt selbst haben die Marketingleute ja auch die kommentierte Führung angepriesen ("narrated tour"). Fazit: Gut gemeint, schlecht gemacht und der Informationsgehalt von 90 Minuten passt auf einen Bierdeckel. Woher kommt eigentlich der Ausdruck "jemanden zum Narren halten"? 2 von 10 Punkten für twincitiescruise.com

Trotz dieser Nörgelei: auf einem Schiff gemächlich dahinzutuckern ist bei schönem Wetter immer eine feine Sache und der Mississippi River ist nun mal von einem anderen Kaliber als der Möhrenbach in Altötting.


Nachtrag: als ich kurz nach dem Ablegen dieses Bauwerk sehe, fällt mir ein, dass ich nichts zu Trinken mitgebracht habe.



Zum Abschluss besuchen wir noch ein letztes Mal die Stone Arch Bridge. Morgen werden wir Minneapolis verlassen und weiter dem Mississippi River Trail nach Süden folgen.