Das Buch zur Tour (ANKLICKEN)

14. September

Quincy, IL - Hannibal, MO

Tages-Km: 38
Gesamt-Km: 1.787
Streckenprofil: in Illinois flach, in Missouri hügelig (aber wie!)
Wetter: sonnig
Temperatur: 17 - 27° Celsius


Corrida der Dämonen

Eine Stierkampfarena, in ein Mann von einem Monster zu Tode gehetzt wird: das ist „Die Corrida der Dämonen“, Silber-Gruselkrimi-Heft Nr. 55, ein Meisterwerk von Dan Shocker. Wer sehen will, wie ich mich auf den ersten zwanzig Kilometern heute gefühlt habe, klickt hier.

Als Jugendlicher habe ich mich von den Gruselkrimis und Perry Rhodan-Heften geistig ernährt. Was auf den zweiten Blick wohl manches erklärt, aber das ist eine andere Geschichte. Zurück zur Corrida. Die ersten zwanzig Kilometer war ICH heute der Gehetzte. Kein Larry Brent (alias X-RAY-3), kein Ivan Kunaritschew (alias X-RAY-7) und keine Morna Gulbrandson (alias X-Girl-C) eilten zu Hilfe. Mein Bruder Tom wird wissen, wovon ich spreche, allen Übrigen rufe ich zu: „Wer von euch ohne Schuld ist …“

Also ein zweites Mal zurück zur meiner Corrida, dem „Gardner Expressway“, auf dem mich die ersten zwanzig Kilometer eine Dämonenschar von Trucks halb in den Wahnsinn gehetzt hat. Anfangs hatte ich noch gehofft, dass ich die Meute abschütteln werde, sobald ich das Industriegebiet von Quincy hinter mich gebracht habe. Weit gefehlt, sehr weit. Auf der 20 - 50 Zentimeter breiten „Shoulder“ habe ich mir die Lunge aus dem Leib getreten, um diesen Abschnitt möglichst schnell und unbeschadet hinter mich zu bringen. Was mir gelungen ist. Im November werde ich in Altötting eine Kerze stiften. Für meine Gesundheit und die Erfindung des optischen Bildstabilisators.

Die Idee zu dem (von mir überaus geschätzten) Song "Fuel" muß Metallica während eines gemeinsamen Radausflugs auf dem Gardner Expressway entwickelt haben. "Fuel" ist jedenfalls das musikalische Äquivalent zur Corrida der Dämonen. Mal reinhören?

Hallo Missouri!

Nach dem Ende des Expressways folgt ein Rechtsknick und ich stehe vor diesem Schild:


Eine Weile noch geht es recht gemütlich dahin. Aber über den Mississippi River hinüber nach Hannibal führt nur eine Autobahn. Soweit ich weiß, ist diese Brücke die einzige aller Mississippi-River-Autobahn-Brücken, auf der auch Radfahrer in beiden Richtungen passieren dürfen. Ein Schild weist den Radler darauf hin, dass er aus Sicherheitsgründen nur ganz rechts auf der Standspur fahren darf! Der Fahrer dieses Trucks muß das falsch interpretiert haben (Rechts ist übrigens das Schild zu sehen).


Tja, und auf einmal bin ich in Missouri.


Drei Kilometer später stehe vor dem „Mark Twain Visitor Center“. Mein Ziel ist aber der Campingplatz, der natürlich (!) 5 Kilometer ausserhalb liegt. Was grundsätzlich kein Problem ist, wären da nicht diese elenden Hügel zwischen dem Visitor-Center und dem Campingplatz. Die rechte Mississippi-River-Seite ist verhext. Erst Iowa, jetzt Missouri. Die elenden Buckel versauen mir auf fünf Kilometer den Schnitt gewaltig: 21,3 Km/h schmelzen auf 17,5 Km/h.

Von Rasenmähern, Hunden und anderen Insekten

Der „Mark Twain Campground“ ist ein 5-Sterne-Campingplatz und ich bin der einzige, der hier zeltet. Außer mir stehen nur noch 3 Wohnmobile am anderen Ende des Platzes. Es ist ruhig, Natur pur, ein Traum. Das kann nicht lange gut gehen.



Also schnell das Zelt aufgestellt und dann die Hängematte am Baum bef… Mit Getute und Getöse fährt der Mann (DER Mann) mit dem großen Rasenmäher-Traktor (DEM großen Rasenmäher-Traktor) heran und beginnt sein infernalisches Tun. Ich bleibe ruhig und gelassen und nutze das überall am Campingplatz verfügbare WLan für den anstehenden Blogeintrag. Irgendwann hat der Rasenmähermann ausgemäht und es herrscht wieder Ruhe. Für vierzig Sekunden. Dann tuckert ein Wohnmobil von Turnhallenlänge vorbei, das einen Jeep hinter sich herzieht, der auf dem Heckträger ein Motorrad schleppt. Ich glaube, dass es eine volle Ampelphase dauert, bis so ein Zug an einem vorüber fährt. Dann wird es wieder ruhig. Dreißig Sekunden lang. Der Wohnwagenmann ist Hundeliebhaber. Das Tier ist so groß wie ein Kalb, aber viel lauter. Dann fährt ein zweites, deutlich kleineres Wohnmobil von - sagen wir - Tennisplatzlänge - ein. Die Wohnmobilfrau ist Hundeliebhaberin und zerrt einen Kläffer hinter sich her. Warum mögen eigentlich Frauen ratten- und Männer kalbsgroße Hunde? Der Kläffer der Wohnmobilfrau ist höchstens so groß wie ein Brikett, kläfft aber viel lauter. Das Kalb und der Kläffer mögen sich nicht und lassen das die Welt wissen. Wenn ich jetzt Larry Brents Laserpistole oder Gucky’s telekinetischen Kräfte …

Wie gesagt - die Ferien sind vorbei, die Kinder wieder in der Schule und die Hunde auf den Campingplätzen. Ich habe übrigens den Blogbeitrag über die Hunde schon fertig, warte mit der Veröffentlichung aber noch ab, um es mir mit den Hundefreunden nicht völlig zu verderben.

Von Hannibal bin ich enttäuscht. Die Stadt wirkt wie eine verwahrloste Wohnung, die man für unerwarteten Besuch huschhusch verschlimmbessert hat: volle Aschenbecher ins Klo, halbvolle Pizzaschachteln auf die Veranda und leere Bierflaschen unter die Spüle. Etwas Mundspray und eine Prise 4711 unter die Achseln - fertig für die Gäste. In der Stadt selbst habe ich keine Bilder gemacht. Aber gegenüber vom Campingplatz ist das River View Café:

Hübsch, oder? Als Speiseraum eine riesige Veranda mit Blick auf den Missisippi River. Natürlich durch Mückengitter von den fliegenden Vampiren abgeschottet. Genial, oder? Aber: "They went belly up", sagt mir die robuste Dame an der Rezeption des Campingplatzes, was soviel bedeutet wie "sind pleite". Ich kaufe mir mein Abendessen im "Family Dollar" in Hannibal (richtig, 5 Km zurück über den Hügel, einkaufen und 5 Km zurück über den Hügel). Na gut, es sind vielleicht zwei Kilometer, aber gefühlt sind es fünf. Mein Abendessen besteht aus: laberigen Burger-Semmelhälften, Käseaufschnitt und - tätaräää - einem Sixpack kühlem Bier. Schnell zurück.

Auf dem Campingplatz treffe ich Butch und Candy. Sie wohnen sechs Zeltplätze weiter. Butch ist ein waschechter Tourenradler, der erste, den ich auf dieser Tour treffe. Candy ist sein (Cannondale-) Rad.

Ich lade ihn natürlich gleich auf ein Bier ein. EINES trinkt er, mehr nicht! Es war ihm wichtig, dass ich das erwähne, damit seine Tochter ihm nicht ... Frauen! Ein Kabarretist hat einmal gesagt: "Frauen heiraten immer zwei Männer. Den, der vor ihnen steht und den, den sie aus ihm machen werden." So ähnlich jedenfalls.

Butch ist aus Iowa und bisher "350 miles into the tour". Wie ich will er nach Louisiana. Ich beneide ihn fürchterlich um sein Panasonic Toughbook, das sich zum meinem Wind (Hybrid) Netbook verhält wie ein Formel-1-Bolide zu einem Matchbox-Auto. Ahhh, es lebe das Männerspielzeug.

Mittlerweile bin ich übrigens vor den Mücken in die Waschküche geflüchtet. Die Wäsche ist gewaschen und bereits im dritten Trockner-Durchlauf. Ich stehe genau da (Foto) und tippe diesen (Diesen... DIESEN) Blogeintrag. Draussen lauert der Tod.

Angie würde es vermutlichz so formulieren: "Das Schade hier sind die Mücken". Im Ernst - es ist völlig aussichtslos, ohne vorheriges Tauchbad in Insektiziden nach Einbruck der Dämmerung länger als 3 Sekunden im Freien überleben zu wollen. Ein ernsthafter Minuspunk für Zelt-Radler. Ich bin von meiner ersten Amerika-Tour verwöhnt. In Kalifornien, Arizona, New Mexiko und Texas habe ich keine einzige Mücke erlebt - und danach nur wenige. Und die waren sogar noch verhandlungsbereit. Vermutlich hatten die militanten Mücken allesamt einen "all inclusive" Urlaub am Missisippi River gebucht.

3 Kommentare:

  1. Pics of Hermann and his bicycle in front of the Java Jive Coffee Shop, Hannibal, Missouri, Sept 15, 2009, are on pages six and seven of my September 2009, Hannibal, the Mississippi River area photo album. http://public.fotki.com/iowaz/hannibal-missouri-2009/hannibal-mo-2009-se/page6.html

      Many other pictures of the Mississippi River, Hannibal front and old town area are uploaded into folders and albums near the top of my photo hosting site. http://public.fotki.com/iowaz/

      Barry Zbornik Hannibal, Missouri
      iowaz@swbell.net or iowaz@hotmail.com

    AntwortenLöschen
  2. Hi Barry, I think you'll finally have seven million pictures on your blog if you continue with this frequency. Keep strong! Greetings from a dedicated photographer, too.

    AntwortenLöschen
  3. Hannibal ist eine Stadt, in der man seinen Mann wohl getrost alleine hinschicken kann. Ich hab nicht eine einzige Frau gesehen!

    AntwortenLöschen