Das Buch zur Tour (ANKLICKEN)

30. September

West Helena, AR - Clarksdale, MS

Tages-Km: 76
Gesamt-Km: 2.875
Streckenprofil: flach
Wetter: sonnig
Temperatur: 16 - 26° C


Eigentlich hätte ich heute … aber so ist das nun mal auf einer Radtour. Pläne sind Arbeitshypothesen. Manchmal funkt Mr. Murphy dazwischen.


Als ich heute morgen den Platten von gestern inspiziert und repariert habe, hatte ich schon ein komisches Gefühl. Ich konnte die Ursache für das klitzekleine Löchlein an einer Nahtstelle des Schlauches nicht ausfindig machen und habe das Ganze schließlich auf die schlechte Qualität des Schlauches geschoben. Ein Loch an einer Nahtstelle! Typisch. Im Reifen selbst konnte ich keine spitzen Gegenstände ertasten. Da war ich wohl noch nicht ganz wach. Jedenfalls habe ich schön brav einen (von zwei verfügbaren) Ersatzschläuchen eingebaut, den Reifen wieder zusammengebaut, aufgepumpt, eingebaut und habe mich guter Dinge auf den Weg gemacht.

Die Brücke von Arkansas über den Mississippi nach Mississippi ist zwar breiter als die in Cairo von Illinois nach Kentucky, aber trotzdem kein Vergnügen.


Glücklicherweise kam ich ohne Trucks ans andere Ufer und - zack - bin ich im vorletzten Bundesstaat dieser Tour angekommen: Mississippi


Die folgenden 20 Kilometer waren scheußlich. DDR-Betonplattenbauweise und viele Trucks. Zwischen der (Beton-)Fahrbahn und dem - nicht asphaltierten - Pannenstreifen gähnt ein Abrund, der auf dem Foto leider nicht deutlich genug zu sehen ist. Etwa 7 Zentimeter Steilkante von Beton zum Geröll. Wenn man nicht höllisch aufpasst, liegt man da schnell auf der Nase. Mal eben von der Fahrbahn auf den Pannenstreifen und und wieder zurück „is nich“.


Plattenbauweise und Trucks hören sich aus Radfahrerperspektive ungefähr so an: da-bunka, da-bunka, da-bunka, da-bunka (das ist jetzt schon eine ziemlich ruhige Phase), da-bunka, da…WUU-UUUSCHHHH, ..ka, da-bu..WUU-UUUSCH..bunka, da-WUUSCH…ka, da-b…WUUUSCH WUUUSCH WUHHSCH..ka, da-bunka… 20 Kilometer lang. Grausig!

Bei Lula (schade, Luna würde besser passen) biegt der Mississippi River Trail nach Süden ab und folgt für etwa zehn Kilometer dem Westufer des „Moon Lake“, einem der vielen stillgelegten ehemaligen Teilstrecken des Mississippi River. Wer den gestrigen Blog gelesen hat, weiß: der Moon Lake ist ein „Oxbow“.



So schön der Moon Lake auch sein mag, es gibt dort nur EIN Restaurant. Und das würde man auf Anhieb nicht als solches erkennen, oder?


Das Restaurant ist ein Laden für alles. Absolut alles. Alles und jedes. Alles. Es gibt dort nichts, was es nicht gibt. Lebende Würmer für Angler (Live Bait), Süssigkeiten, Postkarten, Essigkurken, Bohnen, Wein, Bier, Milch, Wasser, Kaugummi, Stofftiere, Angelschnüre, Zigaretten, Telefonkarten, Chips, Chips, Chips - und ein Restaurant.


Ich genehmige mir einen Hamburger und fotografiere die Köchin vor der Stätte ihres glorreichen Wirkens.


Dann mache ich mich gesättigt und frohgemut auf den Weg, nur um drei Kilometer später beinahe vom Rad zu fallen, als es in einer Kuve den (fast platten) Vorderreifen beinahe von der Felge zieht. Aha, der „Materialfehler“ von heute morgen war eine Fehldiagnose.

Als ich den Schlauch ausgebaut und aufgepumpt hatte, um das Loch zu finden, hat der Ohrentest schon genügt (der feinere und aufwändigere Lippentest war gar nicht erst nötig). Gleich an drei Stellen hat es gezischt. Die Gegenprobe an den fraglichen Stellen des Reifens ergab, dass es hier offenbar Artverwandte der „Goatheads“ (Dornen von Kakteen) gibt. Ich habe 5 Mini-Stacheln aus dem Mantel gezogen. FÜNF! Ein Schwalbe Marathon Plus hätte diese lästigen Piekser weggesteckt wie nix! Aber im amerikanischen Mantel gingen sie durch wie eine Nadel durch Luft und einen Schwalbe Marathon Plus kann ich in ganz Amerika nicht bestellen (jedenfalls sagt Amazon.com bei den zwei Lieferanten „vorübergehend nicht lieferbar“).

Also: Ersatzschlauch eingebaut, Reifen wieder montiert und mal vorsichtig auf 2 Bar aufgepumpt. Frühere Erfahrungen mit abgebrochenen Dornen IN der Lauffläche haben mich ziemlich nervös werden lassen. Bei dem folgenden akribischen Fühltest der Lauffläche bin ich nicht nur auf zwei (bisher nicht ertastete) Dornen sondern auch auf einen sauberen Schnitt quer über die Lauffläche gestoßen, der erst bei entsprechendem Luftdruck sichtbar geworden ist. Sieht aus, als wäre ich irgendwann über eine Rasierklinge gefahren. Kaum zu glauben, dass der Reifen überhaupt gehalten hat.

Damit war nicht nur der Schlauch sondern auch der Reifen im Eimer. Im Lager hatte ich noch EINEN Ersatzsschlauch und den 7 Jahre alten faltbaren Reifen, den ich als Notnagel IMMER dabei habe. Diese Kombination habe ich verbaut und sie muß mich jetzt noch rund 120 Kilometer bis Greenville bringen. Dort gibt es den nächsten Radladen.

Restaurant und Bastelstunde haben meinen Zeitplan gehörig durcheinander gebracht. Um 15:45 Uhr hatte ich noch 62 Kilometer bis zum Great River State Park vor mir. Um 18:30 beginnt es zu dämmern. Auf Highways ohne Pannenstreifen ist man als Radfahrer dann zum Abschuß freigegeben, Rücklicht hin oder her. Ohne weitere Panne hätte ich es wohl geschafft, aber wenn… Ein kurzer Blick ins Navi hat mir mitgeteilt, dass das nächste Motel 13 Kilometer vom aktuellen Standort entfernt ist. Ein Umweg, den ich morgen wieder zurück fahren muß, aber das macht nichts. Der Great River State Park wird noch einen Tag länger auf mich warten können.

29. September

Memphis, TN - Helena, AR

Tages-Km: 148 (100 davon Gegenwind)
Gesamt-Km: 2.799
Streckenprofil: flach
Wetter: sonnig
Temperatur: 15 / 25° C


Die allererste Hürde hätte ich beinahe nicht gepackt: Raus aus Memphis! Da eine Reihe von Leuten derartigen sachdienlichen Hinweisen interessiert sind, folgen einige Tipps zum besten Fluchtweg aus Memphis. Ich fasse mich so kurz wie möglich.

Der MRT Guide ist korrekt bis zum Martyr Park. Dann bietet er ZWEI Möglichkeiten: erstens in Fahrtrichtung RECHTS auf dem Gehweg neben den Fahrspuren entlang der I55 über den Mississippi River (nicht empfohlen, was ich doppelt unterstreiche) ODER zweitens am Ende des asphaltierten Radweges einfach weiterfahren bzw. Schieben und dann zwischen einer (weißen) Kirche und dem Flußufer auf einem Trampelpfad unter den beiden Brücken (Eisenbahn und Autobahn) hindurch, dann das Rad über die Böschung hoch schleppen und in Fahrtrichtung LINKS auf dem Gehweg über die Brücke laufen (empfohlene Variante, was ich doppelt unterstreiche).

Das Problem: der Trampelpfad unter den beiden Brücken hindurch ist derart zugewuchert, dass ohne Machete kein Durchkommen ist. Ich war froh, dass ich das Rad noch umdrehen und wieder zurück schieben konnte. Es folgt MEINE empfohlene Variante, die sich ab dem EH Crump Park (das zweite Grün südlich der Brücke. Hier ist auch das im Guide beschriebene Super 8 Motel) wieder mit der offiziellen Route trifft. Nicht erschrecken! Man muss etwa 100 Meter auf der Standspur der Interstate 55 fahren. Anders geht’s nicht. Dann folgt aber gleich die nächste Ausfahrt, dann unter der Autobahn durch, rechts in den EH Crump Park, die Böschung hoch schieben und durch die kleine Lücke zwischen Zaun und Nicht-Zaun auf den Gehweg (southbound) der I55 schlüpfen. Dann die Ohrenschützer aufsetzen, die Luft anhalten, die Nerven stählen und auf einer zitternden und wankenden Brücke bei donnerndem Gegenverkehr die 1 Kilometer lange Brücke überqueren. Anschließend sofort links die Böschung runter, Rad über 40 Zentimeter hohen Zaun heben und wie im Guide beschrieben rechts auf die Straße und weiter…


Kurz danach folgt die zweite Neuerung bzw. Änderung. Laut Guide müsste man noch einmal für rund 1,5 Kilometer auf der Standspur der Interstate 55 fahren und bei der Ausfahrt 3a wieder runter. Dieses Stück Autobahn kann man sich sparen und die Strafe dazu, die fällig wird, falls einen die Polizei erwischt. Radler haben auf Interstates nichts verloren. Zu Recht. Ich war nach der Brücke reif für die Insel. Die neue Route ist zwar ein grausiger Ackerweg, an dessen Ende ein verschlossenes Gatter auf den motivierten Radler wartet. Aber das ist der offiziell ausgeschilderte Weg und trotz der Unbill tausendmal besser als die Interstate. Das Gatter lässt sich nicht öffnen, aber umgehen (rechts). Ich mußte nur den Anhänger abkuppeln, um ihn und das Rad (samt Vordertaschen) um die Eckpfosten des verschlossenen Gatters zu zirkeln. Irgendwo ganz in der Nähe ist ein Tier vor sich hin verwest. Die paar Minuten, die ich gebraucht habe, um das Gatter zu umgehen, waren die Hölle.

Die ausgeschilderte Route sieht dann - im Gegensatz zu der im Guide beschriebenen Variante - so aus:


--- ENDE DER SACHDIENLICHEN HINWEISE ----


Ein Tag in Arkansas

Dieses Schild war mitten auf der Todesbrücke.


Damit keine Missverständnisse aufkommen. Gefahr bestand zu keinem Zeitpunkt, weil Fahrbahn und Gehweg durch eine 1 Meter hohe Betonmauer sowie die zahllosen Stahlträger der Brücke voneinander getrennt sind. Aber wenn einem kolonnenweise Trucks mit 100 Sachen und 1 Meter Abstand in Metallica-Lautstärke an einem vorbeidonnern, dass die ganze Brücke nur so schwankt und zittert, geht das auf Dauer massiv an die Nerven. Jedenfalls an meine.


Dieser Acker ist Gold wert, weil er dem Radler 1,5 Kilometer Standspur AUF der Interstate erspart. Wie man das verschlossene Gatter am Ende überwindet, hab ich ja in den sachdienlichen Hinweisen schon beschrieben.


In West Memphis, Arkansas finde ich auch gleich ein „Great River Trail“ Schild, das ich zu den anderen Radler-Hirschgeweihen hängen werde.


Das Lachen ist mir allerdings schnell vergangen. Was habe ich auf dem Weg durch West Memphis geschimpft und geflucht über diese Dr… Mi… A….. Idi…. Irrsi…. Autofahrer, die mich teilweise mit 10 Zentimetern Abstand überholt haben. Einer war so dicht, dass der Luftzug fast wie ein kleiner Peitschenhieb war. An dieser Stelle herzlichen Dank an meinen Freund Armin, dem ich ein endloses in repetitiven Zyklen vor sich hin mäanderndes Repertoire an Flüchen, Verwünschungen und Beschimpfungen zu verdanken habe. Lieber Armin, ohne Dich wäre ich heute stumm an meiner Wut erstickt. Aber so konnte ich als radelndes Rumpelstilzchen durch West Memphis rasen und habe vermutlich Heerscharen verstörter Mütter und traumatisierter Kinder auf dem Gewissen. Andererseits - damit kann ich leben.

Ich habe mir während dieser sechs oder sieben Kilometer durch West Memphis nichts sehnlicher gewünscht als einen Basebalschläger und 5 Minuten Privataudienz mit jedem einzelnen dieser Dr… Mi… A…. Idi…. Irrsi…. Autofahrer. Was mir höchstwahrscheinlich nicht gut bekommen wäre, denn in den Autos saßen - ja, leider - fast nur dunkelhäutige Dr… Mi… A…. Idi… Irrsi… drin. Die Sorte, die bei 25 Grad die Kapuze aufsetzt und beim Gehen mit einer Hand die viel zu große Hose halten muß. Nun ja, viele dieser Kapuzen Dr… Mi… A… Idi… Irrsi… füllen Hose und Jacken im Gegensatz zu den deutschen Teenagern wenigstens aus. Wenn ich so durch Altötting laufe, möchte ich manchmal die wandelnde Kleidung zur Polizei bringen und eine Vermißtenanzeige für den Inhalt aufgeben.

Nichts Schlechtes ohne Gutes. Die Dr… Mi… A… Idi… Irrsi… haben mich auf eine Idee gebracht. Vorgeschichte: In Altötting gibt es ein Kapuzinerkloster. In der Kloster-Kirche, der „Bruder-Konrad-Kirche“ habe ich vor einigen Jahren zu meinem Entzücken festgestellt, dass die Brüder Konrads überraschend modern sind. Sie bieten eine besondere Form von Outsourcing an. Das nenne ich modern! Konkret geht es um Gebetsgutscheine, die übrigens in verschiedenen Farben erhältlich sind. Ob müder Pilger, gestresster Manager oder einfach nur ein Japaner mit 7,3 Minuten Aufenthalt, bevor der Bus nach Heidelberg weiter fährt - schnell den Namen, evtl. noch das Problem sowie das gewünschte Ergebnis auf den Zettel geschrieben und in die Sammelbox geworfen. Voila! Schon beten die Profis anstelle der gestressten Menschen. „Lasset uns beten“ ist out, „Lasset beten“ ist in.

Dieses geniale Konzept würde ich gerne mit leicht angepasster Zielsetzung anwenden. Ich wünsche mir Gutscheine für Verfluchungen! Mein Bruder Konrad steht fest: Bruder Armin, ein Verwünschungsprofi vor dem Herrn. Ich werde ab jetzt fleißig alle Nummernschilder der „Road Jerks“ notieren und Dir per Mail zuschicken. Ab dann zwackst Du von Deinen Schimpftiraden immer - sagen wir 30 Sekunden? - ab und verfluchst die Halter der Nummernschilder. Ich denke, Halterhaftung ist hier vertretbar. Deal?

So, nachdem ich das jetzt los bin (auch in die Videokamera habe ich heute schon ausgiebig geflucht), kann ich mich wieder um den Rest der heutigen Etappe kümmern. Im Augenblick sind wir nämlich erst bei Kilometer 27.

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Mal was andres: Schweine als Gartenzwerge.


Gut, dass ich mal wieder Plan A, B und C dabei hatte. Viele der Lebensmittelläden haben dicht gemacht. Wenn dir mitten im Nirgendwo das Wasser ausgeht, ist Schluss mit lustig.


Ich war gespannt auf den „Horseshoe Lake“ (Hufeisen See), ich glaube den einunddreißigsten Horseshoe Lake seit dem Tourstart am 08. August. Leider herrschten am Horseshoe Lake Nr. 31 Starnberger Verhältnisse: jeder Meter Ufer ist in Privatbesitz. Unter Androhung unvorstellbarer körperlicher Qualen ist alles verboten: Betreten sowieso … und „Hinsehen kommt nicht in Frage“ … und „wehe wenn … wir hetzen Dir… und schießen“ … „Polizei, Polizei! Schnell, ein Hinseher!“ …. und überhaupt: VERSCHWINDE FREMDER. DIESER ANBLICK GEHÖRT UNS!

Ja, haben die Leute denn ihren Woody nicht gehört? “…From the Red Wood Forest to the Gulf Stream waters, this land was made for you and me”. Und wo fahre ich hin? Eben! Ein Anwesen war so riesig, dass es jederzeit als Jagdrevier durchgehen könnte. Da bin ich dann doch schnell zum See gehuscht.


Das mit den vielen Horseshoe Lakes hat mich interessiert. Im Radführer habe ich auch immer wieder etwas von sogenannten „Oxbows“ gelesen. Also habe ich ein wenig recherchiert. www.leo.org hat mich aufgeklärt, dass das „Altwasser“ bedeutet. Wer von der Leserschaft (außer den Amerikanern) hat das gewußt? IiichIiiichIiiich, oder?

So, und woher kommen die Oxbows und Hufeisen-Seen? Der Mississippi River hat im Laufe seines Lebens zig Mal seinen Weg geändert. Insbesondere bei Hochwasser ist es schnell passiert, dass der Fluss - dem Weg des geringsten Widerstandes folgend - eine Schleife kurzerhand ignoriert und die Abkürzung nimmt.

Der Mississippi River transportiert Unmengen an Schlamm hinunter in den Golf von Mexiko. Manchmal verschließt dieser Schlamm den bisherigen Flußlauf, nachdem er sich eine schöne neue Abkürzung in die Landschaft gefräst hat. Der abgetrennte Teil trocknet entweder aus - oder er wird zu einem „Oxbow“.

Das ist ein vergrößerter Ausschnitt der Gegend, durch die ich heute gefahren bin.


Das in der Mitte ist MEIN Horseshoe Lake. Die drei „Oxbows“ lassen den ehemaligen Lauf des Mississippi Rivers sehr gut erahnen.

Durch Hochwasser oder geologische Ereignisse (z.B. Erdbeben, Absenkungen), die den Flußlauf geändert haben, sind blühende Städte innerhalb weniger Jahre zu Geisterstädten geworden und neue, florierende Städte wie Pilze aus de Boden geschossen. In der Zeit VOR den Autos und VOR den Zügen waren Schiffe die roten Blutkörperchen und der Mississippi River ihre Lebensader. Dann kamen die Züge und haben die Schiffe aufgefressen, bis sie selbst wiederum - die Personenzüge jedenfalls - von den Autos aufgefressen wurden.

Was ist das?


Richtig, Baumwolle. Mindestens 100 Kilometer bin ich heute zwischen endlosen Baumwollfeldern hindurch geradelt. Weil ich das so beeindruckend finde, müßt ihr euch noch ein-einhalb weitere Bauwollbilder angucken:

Bild 1:


Bild 1,5:


Die Baumwolle im Hintergrund ist zwar kaum zu sehen, aber trotzdem da. Außerdem sieht der Baum ohne Wolle und im Vordergrund gut aus.

Ich liebe solche Kreuzungen (Nörglern sei gesagt, dass es hinter mir genau so aussieht und es eine Kreuzung, ein „X“ und kein „V“ ist.


Wenn nichts los ist, stelle ich mich mitten in den Kreuzungsschnittpunkt, breite die Arme nach Titanic-ich-fliege-Art aus und mich solange mit geöffneten Augen im Kreis, bis ich mich hinsetzen muß, um nicht umzufallen. Ich glaube, 3-jährigen gefällt so etwas auch sehr gut. Entweder hält Radfahren durch die USA sehr jung oder es scheint doch nicht ganz ohne Nebenwirkungen abzugehen.

Bei Kilometer 125 mußte ich feststellen, dass der Vorderreifen Luft verliert. Ausgerechnet bei dieser langen Etappe! Mit vier Mal nachpumpen habe ich es aber doch noch bis nach Helena geschafft. Die Problemlösung habe ich auf morgen früh vertagt.

Zum Schluss noch ein Stimmungsfoto...


... und dann ist Feierabend für heute. Es ist 23:22 Uhr Ortszeit. Ich bin hundemüde. Laut Navi bin ich heute 7 Stunden und 38 Minuten geradelt ("moving time"). Macht bei 148 Kilometer einen Schnitt von 19,3. Bah. Sch… Gegenwind.

28. September

Ein Tag in Memphis

Vier Dinge standen für heute auf dem Speiseplan, zwei davon tatsächlich habe ich in die Tat umgesetzt: die „Beale Street“ und das „Rock’n Soul Museum“. Für das „Cotton Museum“ hatte ich keinen Nerv mehr und als ich das „Mississippi River Museum“ im Mud Island Park ansehen wollte, hatte der Park bereits geschlossen. Macht nichts. Ich bin, um mich zu wiederholen, sowieso „kein Stadtmensch in dem Sinn“.


Beale Street

Wer Memphis besucht, muß durch die „Beale Street“ laufen. Zehn Minuten Fußweg vom Hotel bringen mich zur Heimat des Blues und der Geburtsstätte des Rock’n Roll.


Vor 100 Jahren war diese Straße allerdings eher eine Variante der Hamburger Reeperbahn. In der Wikipedia ist zu lesen:

„Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war die Beale Street ein Vergnügungszentrum mit Spielhöllen, Saloons, Prostitution, Diebstahl, Mord und Totschlag. Ein bekannter Club war 'The Castle of Missing Men' (das Schloss der verschwundenen Männer, eigentlich 'The Monarch Club'), das direkt an ein Beerdigungsinstitut grenzte, so dass die erschossenen Spieler leicht und unauffällig beseitigt werden konnten.“

Nun ja, dieses Schild am Eingang eines Gartenrestaurants sieht noch gar nicht so alt aus:


Seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrunderts spielt jedenfalls die Musik die dominierende Rolle. In der Beale Street entstand der „Memphis Blues“. Aus jedem Laden, Café oder Restaurant bluest, soult und rockt es, in jedem Hof spielen Bands. Trotzdem: ich war enttäuscht. Die Beale Street ist groß geworden, als die Rassentrennung in den USA denselben Stellenwert wie die Bibel hatte. In Memphis hat das Lebensgefühl von Baumwollpflückern musikalische Gestalt angenommen und eine soziale Revolution in Gang gesetzt. Hier, in Memphis, wurde Martin Luther King am 3. April 1968 erschossen. 40 Jahre vorher standen in der Beale Street die dunkelhäutigen Menschen im Vordergrund und die Weißen waren musikalisch - zunächst - nur Statisten. Unerhört! Welch ein Affront gegen die Menschen erster Klasse.

Heute ist die Beale Street eine Touristenmeile und so authentisch wie Kunstschmuck, ein tunesischer Teppich oder eine „homemade Lasagna“ in einem beliebigen amerikanischen Restaurant. Man versucht, den einbalsamierten Leichnam jeden Abend aufs Neue zu altem Leben zu erwecken, aber wie will man satten Menschen die Musik des Hungers nahebringen? Und umgekehrt, die Touristen laufen huschhusch durch die Straße, freuen sich über die vielen Leuchtreklamen, die billigen Fritten und die Tatsache, dass sie jetzt AUCH in der Beale Street waren. Die Heimat des Blues und die Geburtsstätte des Rock'n Roll ist heute ein musikalisches Fast Food Restaurant. Jedenfalls war das mein erster Eindruck, den ich unter Vorbehalt hier äußere. Schließlich bin ich ja auch nur ein Tourist, der mal eben durch die Beale Street gelaufen ist.


Rock’n Soul Museum

Quelle: www.memphisrocknsoul.org

Nahe der Beale Street ist das „Rock’n Soul Museum“. Sehr empfehlenswert! Ein 15-minütiger Film liefert einen Überblick und macht Laune. Die Details samt Anekdoten und viel viel Musik erläutert der im Ticketpreis enthaltene (englischsprachiger) „Audio Guide“, bestehend aus Kopfhörer und Abspielgerät. Fotografieren ist leider verboten :-(

Einführungsfilm, Museum und Audio Guide sind liebevoll gemacht. Nichts wirkt künstlich, billig oder zu verspielt. Jeder kann in seinem eigenen Tempo und in beliebiger Reihenfolge durch die Räume schlendern und sich alles über Blues, Soul und Rock'n Roll in Memphis ansehen und anhören und zum Beispiel erfahren, warum eine Original Wurlitzer Jukebox leuchten muß und warum „B.B. King“ „B.B. King“ heißt.


Die weiteren Aussichten

Morgen geht’s über den Mississippi River hinüber nach Arkansas. Ich will sehr früh los. Wenn der Radführer nicht lügt, muß ich etwa 140 bis 150 Kilometer bis zum nächsten Campingplatz bzw. Motel radeln. Dazwischen ist nix. Muß, müsste - Hm…

27. September

Millington, TN - Memphis, TN

Tages-Km: 43
Gesamt-Km: 2.651
Streckenprofil: wellig
Wetter: S.O.N.N.I.G.
Temperatur: 19 / 29° C


Kaiserwetter! Sonne, tiefblauer Himmel, keine einzige Wolke weit und breit . Ich genieße das Radeln dermaßen, dass ich ein paar Umwege einbaue. Für den kürzesten Weg ist es einfach zu schön.

Gleich nach dem Start entdecke ich dieses Werbeplakat für das U.S. Marine Corps, das einfach zu gut zum gestrigen "Purple Heart Trail"-Schild passt.


Es ist schon verrückt. Zuhause in Deutschland gibt es Marines nur im Kino, bei meiner ersten großen USA-Reise bin ich mehr als zwei Monaten zusammen mit einem Ex-Marine geradelt. Als 18-jähriger hatte er als Elitesoldat in Vietnam gekämpft. Seine Erlebnisse in ruhigem Ton und aus erster Hand zu erfahren, war eine besondere Erfahrung für mich. Wenn alles klappt, werde ich ihn in Chicago vor dem Rückflug noch besuchen.


M E M P H I S


Ich bin in Memphis! Der Mississippi River Trail führt den Radler verstohlen ins Herz der Metropole. Man radelt so vor sich hin und genießt die Sonne - zack - ist man im Zentrum. (Zur Pyramide im Hintergrund sage ich gleich noch etwas.)

Elvis ist hier natürlich der Gott aller Götter.


Diese Statue steht im „Welcome Center“, etwa 100 Meter vom Comfort Inn entfernt, in dem ich die nächsten zwei Tage residiere, für 99 $ die Nacht und im 11. Stock mit grandioser Aussicht. Wer jemals nach Memphis kommt und hier ein Hotel sucht: Comfort Inn!

Dieses Pyramiden-Foto habe ich vom „Mud Island River Park“ aus geschossen.


Da ist nichts getrickst oder fotomontiert, es hat einfach nur alles gepasst. Bestellen kann man weder dieses Licht noch die Wolken. Radlhans, da lacht das Herz des Jägers.

Was man der Pyramide aus dieser Perspektive nicht ansieht, ist ihre gewaltige Größe. 32 Stockwerke ist sie hoch und bietet als Basketball- (Memphis Grizzlies) und Musikarena Platz für bis zu 21.000 Menschen. Schön und gut - aber wieso eine Pyramide? Als Hommage an jenes Memphis, das von 3100 bis 2242 v. Chr. die Nummer Eins in Ägypten war. Kairo kam erst viel später an die Reihe.

Der „Mud Island River Park“ ist ein MUSS (www.mudisland.com). Das „Mississippi River Museum“ werde ich mir morgen ansehen. Heute war der „River Walk“ an der Reihe. Auf einer Gesamtlänge von 1,6 Kilometern (!) hat man maßstabsgetreu die 1.000 Meilen des unteren Flusslaufs des Mississippi River nachgebaut. Von Cairo, Illinois bis zur Mündung in den Golf von Mexiko wandert man am Modell entlang und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auf Distanz sieht das so aus:

Quelle: www.mudisland.com

Aus der Nähe so:


Ich habe natürlich die ganze Insel erkundet und dabei wieder einmal eine Reihe von netten Bekanntschaften gemacht, die jetzt darauf warten, dass der Blogeintrag von heute endlich online geht. (Dear Lashanta and Joseph, I hope I got all your names right!)

vorne, von links nach rechts: Joseph II, Matthew, Michael
hinten: Joseph und Lashanta

Von meinem Freund Oli habe ich den Kalauer: „Kannst Du mir etwas Luft pumpen?“ In diesem Fall konnte ich. (Hi Courtney and Matthew!)


Das ist der Blick vom Mud Island Park auf den Mississippi River in Richtung Süden. Die Brücke am Horizont werde ich übermorgen früh überqueren. Auf der anderen Seite erwartet mich mit Arkansas der nächste Bundesstaat auf meinem Weg zum Golf von Mexiko.



Deutsches Liedgut statt Blues, Soul und Rock’n Roll

Anschnallen! Im Mud Island Riverpark beschallt man die Besucher mit Musik. Musik in Memphis... Logisch: Blues, Soul, Rock’n Roll. Von wegen. Radlpeter, zu schade, dass Du nicht hier warst. So wie ich Dich kenne, hättest Du aus dem Stand alle Lieder mitsingen können. Beim Radlhans bin ich mir nicht so sicher, aber dem traue ich auch allerhand zu. Ihr wärt jedenfalls DIE Attraktion gewesen! (Dieser Clip gehört nicht in die Reihe „Mississippi River Trail“ und steckt deshalb IN diesem Blogbeitrag). Licht aus, Ton ein… und START:

26. September

Ripley, TN - Millington, TN

Tages-Km: 58
Gesamt-Km: 2.608
Streckenprofil: wellig
Wetter: bedeckt, leicht bewölkt
Temperatur: 14 / 23° C


Das war die heutige Alternative: entweder bis Memphis Downtown radeln, 169 $ für ein Motelzimmer bezahlen und morgen ab 10:00 Uhr durch die Innenstadt bummeln. ODER vor den Toren von Memphis für 69 $ übernachten, etwas früher aufstehen, nach Memphis Downtown radeln und ab 11:00 Uhr durch die Innenstadt bummeln. Halt, HALT! Jetzt nicht gleich nach „Motels Memphis“ googlen und dann besserwisserisch mit fünf Seiten Papier herumwedeln, auf denen fast alle Treffer günstiger als 169 $ sind. Langsam, Herrschaften, ganz langsam und der Reihe nach…


Highway to Heaven

Als ich gegen 08:30 Uhr gestartet bin, lautete Plan A: „Günstige Bleibe in Memphis“. Um die Strecke ein wenig abzukürzen, bin ich die 58 Kilometer des heutigen Tages ausschließlich den Highway 51 in Richtung Memphis geradelt. Anfangs sah das noch so aus:


Je näher ich Memphis auf jedoch den Pelz gerückt bin, desto dichter wurde der Verkehr. Der Lärm war lästig, aber bei einem drei Meter breiten Pannenstreifen wurde der Highway nie zum Sicherheitsrisiko.



„Don’t stay there, a lot of people get killed there!“

Dieser “Smoke Shop” auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einem qualmenden Etwas davor weckt sofort meine Neugierde. (Das Bild ist mit 12-fach Zoom aufgenommen! Mit dem bloßen Auge konnte ich nur ein qualmendes Ding erkennen).


Was ist ein Smoke Shop? In jedem Fall ein „eye catcher“. Mir gefällt die Idee auf Anhieb. Du sorgst für anständig Qualm vor deinem Laden, die Leute sind neugierig, kommen sofort mit dir ins Gespräch und dann verkaufst Du ihnen Feuerlöscher, Zigaretten, Eis oder was auch immer im Laden herumsteht. Hauptsache, die Leute kommen erst einmal in Scharen herbei und reden mit dir! Gute Idee. (Wer Vorschläge hat, wie sich das für den Verkauf von E-Learning zu Microsoft Office realisieren lässt - her damit! Bei Erfolg ist Provision garantiert.)

Einen vierspurigen Highway mit dem Rad zu überqueren, ist Geduldssache. Aber irgendwann habe ich dann doch eine (Angie herhören) groß genuge Lücke erwischt. Das qualmende Etwas entpuppte sich als ganz normaler Grill, auf dem der Smoke-Shop-Inhaber mit Hilfe von viel Fett Heerscharen von Burgern, Steaks und Würsten für hungrige Vorbeifahrende grillt. Ich BIN hungrig. Wir kommen ins Gespräch und er bietet mir eine große Gratis-Portion „fried chicken“ an. Wie kann ich ihm nur klar machen, dass ich Hähnchen hasse wie die Pest, aber Burgern nach längerem Radeln durchaus zugeneigt bin? Mannhaft gebe ich mich als Vegetarier aus und verzichte bedauernd.

Als der freundliche Grillmeister erfährt, dass ich in Memphis eine günstige Bleibe suche, sagt er entsetzt: „Don’t stay in the north or south of Memphis. A lot of people get killed there. And avoid cheap Motels. They are usually in a bad neighborhood. Not save. Stay downtown, there it is save.” Aha, im Norden und Süden der Stadt bringt man mich um, in den billigen Unterkünften werde ich ausgeraubt und im Stadzentrum bin ich zwar vor den Mördern sicher und in bester Gesellschaft, aber dafür rauben mich die Hotels aus!

Sofort beginne ich, mich davon zu überzeugen, dass es jetzt auf lumpige 338 $ (ich will ZWEI Tage in Memphis verbringen!) mehr oder weniger auch nicht mehr ankommt. Wie oft ist man schließlich schon in Memphis? Und wie will man den Hinterbliebenen erklären, dass der eigene Geiz daran schuld ist, dass jetzt irgend ein Gauner meine Sachen viel zu billig verscherbelt, während ich in der Hölle schon mal die Karten für Radlingrid, Radlpeter und Radlhans mische? Oh Memphis, edle Muße von Blues, Soul und Rock’n Roll, undsoweiterundsofort. Nach zehn Minuten habe ich mir nachgegeben und beschlossen, ein Vermögen für zwei Übernachtungen in Memphis Downtown auszugeben. Erst 45 Meter vor meinem heutigen Domizil habe ich erneut den Plan geändert und dabei viel Geld gespart.


SIR! YESSIR!

Nashville, Tennessee ist die Gürtelschnalle des sogenannten „Bible Belts“. Memphis wäre dann in etwa das erste Gürtelloch. Ich passe hierher wie ein FC-Bayern Fan in die Nordkurve. In dieser Gegend weiß man den zürnenden Gott des Alten Testamentes noch zu schätzen. Hier ist Gott nicht lieb sondern der Drill Sergant aus „Full Metal Jacket“ und die Kirchen sind „Boot Camps“.


In der Pädagogik spräche man hier von „Bedingter Zuwendung“ und ein Soldat würde beim Anblick dieser christlichen Leuchtreklame vermutlich strammstehen und „SIR! YESSIR!“ brüllen. Ich freue mich jetzt schon auf die wirklich harten Sprüche, die mir in Mississippi und Louisiana noch begegnen werden. An einen guten Spruch meiner 2007-er Tour kann ich mich noch erinnern „Dusty bibles lead to dirty lifes!“ SIR YESSIR!

(Videotipp für Hartgesottene: Drill-Sergant aus Full Metal Jacket; englisch, aber das ist Nebensache)

Den ungleich sanfteren Sprößling nimmt man - wie beispielsweise Umweltschützer und Tierversuchsgegner - zähneknirschend in Kauf. Familie kann man sich nun mal nicht aussuchen und manchmal fällt der Apfel eben doch weit vom Stamm.


Man spürt förmlich den hilflosen Trotz, der hinter diesem Postulat vor sich hin zittert. Da lobe ich mir doch den guten alten Anselm von Canterbury, der sich zu seinem ontologischen Gottesbeweis wenigstens noch eine anständige Story ausgedacht hat, die selbst eines Freiherrn von Münchhausen zur Ehre gereicht hätte.


And now for something completely differnt ...

Schwarzer Humor:


Radlhans, Du glaubst es nicht!


In Millington, dem Anzing von Memphis (das sagt jetzt nur den Münchnern was), kam ich am äußerst einladenden „Admirality Suites and Inn“ vorbei. 69 $ statt 169 $ für die Übernachtung. Hm… Von hier bis Memphis Downtown brauche ich … mal sehen … zwei, vielleicht zwei-einhalb Stunden. Soso... und was, wenn ich heute hier… morgen dann ein wenig früher… JA, Genau! So mache ich es.

25. September

Regenpause in Ripley

Kein Problem, ich bin gut im Zeitplan. Solange es Hoffnung gibt, warte ich lieber auf schöneres Wetter als im Sauwetter zu radeln. Im Regen fahren, ginge ja noch, aber das Hauptproblem besteht darin, dass ich die Klamotten ohne Trockner nicht trocken bekomme. Und heute wäre das Ziel ein State Park Campground gewesen, wo es keine Trockner gibt. Njet! Dafür gibt's einen neuen Videoclip über den einzigen Radeltag in Iowa.

Bis bald ...

Hermann

24. September

Samburg, TN - Ripley, TN

Tages-Km: 107
Gesamt-Km: 2.550
Streckenprofil: flach, hügelig
Wetter: Regen, bedeckt, Regen, bedeckt usw.
Temperatur: 16 / 25° C



Cursin‘ in the rain

Es regnet, als ich aufstehe. Es regnet, als ich vom Frühstück zurück komme. Es regenet, als ich losfahre. Es regnet. Schade, aber nicht zu ändern.


Die ersten paar Kilometer fahre ich am Seeufer entlang und kann mich nicht sattsehen an den Sumpfzypressen, für die der Reelfoot Lake berühmt ist. Bei diesem Sauwetter ist außer mir niemand unterwegs bzw. im Freien und ich habe den See und die Stille 30 Minuten lang ganz für mich allein. Als der Regen für einen Moment eine Atempause einlegt, kann ich schnell ein Foto schießen. Falsch belichtet, aber nicht zu ändern. Hauptsache, die Kamera vor dem Tod durch Ertrinken gerettet.


Regenjacke, Regenhose und wasserdichte Überschuhe erfüllen ihre Aufgabe vorbildlich. Aber Lufttemperatur und -feuchtigkeit schalten die Heimsauna auf volle Touren und ich dünste mich selbst. Beim Dünsten unterscheidet man ja drei Varianten:

1. Dünsten ohne Fett in Eigenflüssigkeit
2. Dünsten ohne Fett mit Fremdflüssigkeit
3. Dünsten unter Zugabe von Fett

Variante 1, oder? Wikipedia weiß dazu folgendes: „Hierbei wird der hohe Anteil an Eigenflüssigkeit genutzt, um die beim Garprozess erforderliche Dampfentwicklung zu gewährleisten. Damit sich Wasserdampf entwickeln, dieser aber nicht aus dem Gargefäß entweichen kann, ist ein gut schließender Deckel erforderlich. Die Hitzezufuhr ist so zu wählen, dass es gerade reicht, einen Wasserdampf mit einer Temperatur zwischen 70 und 98 °C zu erzeugen. Höhere Temperaturen führen zu höherem Dampfdruck - der Dampf entweicht und das Gargut brennt an.“

Besser könnte ich die Sache nicht beschreiben. Da ich nicht angebrannt bin, habe ich es offenbar richtig gemacht und bin jetzt gar.


Gott spielt Golf

Am achten Tag hat sich der liebe Gott in den Golfurlaub verabschiedet. Als er eine Woche später mit Handicap 3 wieder zuhause im Sessel saß, hat er Tennessee erschaffen. Tennessee ist ein einziger, riesiger Golfplatz. Tennessee ist GRÜNST! Wenn die Eskimos 100 Wörter für Schnee kennen, haben die Tennessee-er 100 Wörter für Grün. Üppig wuchert die Natur in dunkelgrün, hellgrün, mittelgrün, gelbgrün, glänzendem Dunkelgrün, mattem … jaja, ich hör ja schon auf. Aber es IST hier nun mal so. An Flussufern türmen sich baumhoch undurchdringliches Mauern aus Grün, Gras drängelt sich frech bis an den Fahrbahnrand, Blättermeere begraben Büsche und Bäume unter sich, (Gelb-)grüne Felder erstreckt sich schier endlos bis hin zu einem dunkelgrünen Horizont. Wetterbedingt kann ich leider nur wenige Bilder dazu liefern:







Hoibsgiggimidsemmi

Warnung an alle amerikanischen Leser! Ich weiß, dass fast alle von euch den Blog mit Hilfe von Yahoos Babelfish oder anderen automatischen Übersetzungshilfen ins Englische übersetzen lassen. Was jetzt folgt, schafft keine Übersetzungsmaschine dieser Welt. Also bitte nicht ärgern, wenn nur Unsinn heraus kommt.

Ich hatte es ja im Blogbeitrag zu Kentucky schon erwähnt: Ich verstehe die Amerikaner auf einmal nicht mehr. Wo ich doch so stolz darauf bin, dass ich ALLE IMMER GUT verstehe. Manno! Ständig muß ich nachfragen und... Ihr lacht? Soso, was heißt dann bitteschön „sho’nuff“? Oder „e bu cado’y“ Oder „sentenola s“ Wer lacht jetzt? Weeer lacht JETZT!? ha-HA! Die Lösungen: „Sure enough“, „Hey buddy, what can I do for you?“ und “seventeen Dollar, please”.
„Ich bin ein Düsseldorfer.“ Um diesem Satz Sinn zu verleihen - und er erklärt nicht nur die Überschrift sondern ALLES - muß ich euch kurz von Ali erzählen, meinem kurdischen Bekannten aus Jungendtagen. Ali ist als Kind nach Bayern gekommen. Südbayern. Hier hat er das gelernt, was er und viele Südbayern mit ihm für Deutsch halten. Ali hat dieses wunderschöne türkisch-bayrisch gesprochen und konnte damit problemlos überall zu essen und zu trinken bestellen: „Hungahobi“ oder, wenn er nicht alleine war „Hungahamma“. Dann „A hoibe“ oder „No oane“ und natürlich auch „hoibsgiggimidsemmi“, was ins Deutsche übersetzt soviel bedeutet wie „ein halbes Hähnchen mit Brötchen“. In Südbayern versteht das jeder und Ali mußte weder Durst noch Hunger leiden.

Ali war mit Herz und Seele der kurdischen Sache zugetan, was ihn deutlich von 99,99% der südbayrischen Bevölkerung unterschieden hat. In Düsseldorf sei das anders, hieß es. Dort seien viele Kurden, hieß es. Dort wäre was los, hieß es. Also ist Ali nach Düsseldorf gezogen. Hin und wieder war er aber in Südbayern zu Besuch. Als ich ihn nach langer Zeit einmal wieder auf einem dieser Heimaturlaube getroffen habe, war Ali ziemlich abgemagert. „Ali, was ist denn mit DIR passiert?“, frage ich entsetzt und Ali antwortet. „Deppn de! I hab hunga. Sog i ‚hoibsgiggimidsemmi‘ und Depp vaschdednix!“ Depp vaschdednix… Genau. Ich bin ein Düsseldorfer.