Das Buch zur Tour (ANKLICKEN)

30. August

Prairie Du Chien, WI - Cassville, WI

Distanz: 62 KM
Streckenprofil: hügelig
Wetter: sonnig
Temperatur: 9/16°C (SAUKALT!)

Nachdem Minnesota in den schlimmsten Regenfällen seit 30 Jahren fast ertrunken ist, droht Wisconsin nun zu erfrieren. Wieder sitzen wir in der ersten Reihe. „Noch nie war es um diese Zeit so kalt“, hören wir ständig. Ja mei.


Kurz nach Prairie Du Chien verlassen wir den vertrauten Highway 35 und fahren auf kleinen Landstraßen weiter, den „County Roads“. Der Guide weist ausdrücklich darauf hin, dass es ab jetzt hügelig wird: „The hills are not steep but they will get your attention.“ Kann man wohl sagen. Gleich der erste Anstieg ist fast fünf Kilometer lang. Erstmals erlebe ich die Auswirkungen des Anhängers auf längere Zeit und frage mich, warum man jeden erdenklichen Unsinn erfunden hat, zum Beispiel Palmtops oder Nagellack, aber nichts gegen den Schnupfen und die Schwerkraft.


Oben angekommen bin ich - wie immer - klitschnass. Es pfeift ein eisiger Wind und ich ziehe mich in 2,9 Sekunden komplett um. Die nassen Klamotten kommen auf den Anhänger, wo sie im Wind trocknen sollen, bis ich sie das wieder brauche, also am Scheitelpunkt des NÄCHSTEN längeren Anstieges. Dieser natürliche Wäschetrockner funktioniert übrigens hervorragend. In 10 bis 15 Minuten ist alles wieder trocken. Auf diese Weise wechseln sich Rad-Garnitur 1 und 2 ständig ab und ich vermeide eine Erkältung, die ich nun mal weder mit einem Palmtop noch mit Nagellack kurieren könnte. Puristen werden jetzt etwas von „sauber“ und „frisch“ einwenden. Leute! Wo in der Prärie stehen Waschmaschinen herum? Und selbst wenn - alle 20 Minuten eine 45-minütige Waschpause einlegen… da könnte ich den Mississippi vergessen und müsste stattdessen die Alz oder den Mühlbach entlang radeln. Nein, Waschmaschinen gibt’s am Campingplatz oder im Motel und bis dahin schlüpft der Tourenradler mit Genuß zum siebenundzwanzigsten Mal in die ungewaschenen, aber frisch getrockneten Klamotten.

Auf einer Hochebene zuckeln wir auf einsamen Straßen zwischen riesigen Maisfeldern hindurch.


So sehen wir aus der Grashüpferperspektive aus.


Bei einem dieser gewaltigen Maisfelder hat man ein fußballplatzgroßes Areal ausgespart und nutzt die Wiese als Friedhof.


Ich kenne diese typischen amerikanischen Natur-Friedhöfe zwar schon von meinen früheren Reisen, bin aber immer wieder aufs Neue berührt. Wer meine Einstellung zu Religion kennt (ich halte sie für heilbar), der weiß, dass ich religiösen Kultstätten gegenüber eine gewisse Distanz an den Tag lege. Bei diesen Natur-Friedhöfen ergeht es mir anders. Von dem für den südbayrischen Katholizismus typischen düsteren und verqueren Hang zur seelischen Atemnot ist hier nichts zu spüren. Luftige Anhöhe statt Jammertal, friedliche Natur statt einem Haupt voll Blut und Wunden. Schmerz ja, Gram nein. Ich denke unwillkürlich an Raymond Chandlers Romantitel „The Big Sleep“. Hier begräbt man keine Toten, hier bettet man sie.

Am meisten hat mich ein unscheinbares Grab berührt, das eine Tochter für ihren im Vietnamkrieg gefallenen Vater so gestaltet hat, wie es eine deutsche Friedhofsverordnung wohl kaum zulassen würde.


Das Gedicht auf der kleinen Tafel würde im literarischen Quartett vielleicht nicht bestehen, aber es sagt in wenigen Zeilen mehr als viele lyrischen Ergüsse von Literaten:

Dad,
how well I do remember the special times we had,
the times and seasons of my life
with a very special dad.

How well I do remember
the day God called you home
you slipped into his loving arms and I felt so alone.

Now my heart will carry memories
of the love you gave to me
until we meet again in heaven
where the best is yet to be

1 Kommentar:

  1. Bei Bärbel Schäfer wurde mir mal "einmal Duschen in 3 Monaten langt" als Untertitel untergeschoben. Läuft heute noch immer wieder als "Best of Talk" in "Talk Talk Talk", obwohl ich versäumt hatte darauf hinzuweisen, das es im Extremfall einfach keine Möglichkeit gibt an ne normale Dusche zu kommen - als Obdachloser unterwegs. Da sind es die ABSOLUTEN AUSNAHMEN, wenn Mensch mal eingeladen wird in einem Hotelzimmer zu nächtigen oder privat zu duschen. Auch gezielte Fragen bezüglich Dusche mit Ausweis in der Hand und Pfand um die Angst zu nehmen man sei ein Dieb wird meist - wenn nicht immer - abschlägig beschieden, denn die USA ist hoch Privatisiert. "Private Poperty - Posecuters will be shoot" KEEP OUT

    Versäumt hatte ich - weil es sich vom Konzept der Sendung nicht ergeben hatte - auch ausfürhrlicher darauf hinzuweisen, das es andere Methoden der Wäscha für Körper und Klamotten gibt: Seen, Flüsse, Restroom von Restaurants, Parks und Tankstellen und mit ner 1 l Flasche kann Mensch den ganzen Körper reinigen: (Kappe nur so weit öffnen das es tropft)

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