Das Buch zur Tour (ANKLICKEN)

28. August

Genoa, WI - Prairie Du Chien, WI

Distanz: 68 Km
Streckenprofil: flach / leicht wellig
Wetter: sonnig
Temperatur: 13 / 23 °C



Bis gestern konnte man aus dem Weltall mit bloßem Auge nur EIN von Menschenhand geschaffenes Werk erkennen: die Chinesische Mauer. Ab heute werden Astronauten auch Angie problemlos ausmachen können - vorausgesetzt sie trägt das neue Rad-Trikot, dessen Foto ich aus Angst vor Regressforderungen deutscher Krankenkassen nicht in diesem Blog veröffentliche...

Jetzt der versprochene Nachtrag zum Rätsel von vorgestern: der Handbremse, hier im gelösten Zustand zu sehen.


Und hier ist sie angezogen.


Der 3-fach abgestufte Hartplastik-Keil wird mit einer reißfesten Schnur ist am Gang-/Bremsseil direkt neben der Vorderbremse festgebunden. Damit ist er immer dort, wo er gebraucht wird und kann nicht verloren gehen. Eine Nut knapp unter dem Durchmesser des Bowdenzugs erlaubt es, die Bremse während des Fahrens festzuklemmen (siehe Bild 1). Sobald der Radler das Rad abstellt und ein weiteres Bewegen des Rades verhindern will, zieht er die Handbremse an. Jeder Tourenradler, dem schon einmal das Rad mit allem Drum und Dran umgefallen ist, weiß diesen Vorteil zu schätzen. Bislang hatte ich mir immer mit einem Eigenbau, einer Kombination aus Zeltspanne-Gummi und Kabelbinder beholfen. Hat ja auch wunderbar funktioniert. In einem amerikanischen Radladen habe ich gleich zu Beginn dieser Tour den Handbrems-Keil gefunden. Zwei Stück lagen ganz hinten im Regal, 70er-Jahre Flair, ziemlich angestaubt, die Aufschrift vergilbt. Niemand in dem Laden wußte, dass es die Dinger überhaupt gibt, geschweige denn was sie kosten. Wir haben uns auf 99 Cent geeinigt und ich habe offenbar die letzten beiden ihrer Gattung erstanden.

Wer sich nicht recht vorstellen kann, wozu man am Fahrrad eine Handbremse braucht, der belade sein Rad mit 4 vollen Packtaschen (ersatzweise großen, vollen Plastiktüten), stelle es dann auf einer abschüssigen (oder ansteigenden) Straße auf den Seitenständer und versuche, aus mindestens zwei der Taschen den jeweils ganz unten vergrabenen Gegenstand herauszufischen. Wer sich so etwas nicht vorstellen mag bzw. kein Rad oder Plastiktüten besitzt, der fahre ersatzweise am nächsten Sonntag die Großglockner Hochalpenstraße hinauf, bleibe an einer beliebigen Stelle stehen und steige aus, ohne jedoch die Handbremse zu ziehen oder einen Gang einzulegen.

Zurück zum Mississippi River Trail und der heutigen Etappe. Sieht man von der gestrigen Verkehrshektik um LaCrosse einmal ab, ist der Highway 35 mit einer Einschränkung (dazu gleich) ideal zum Tourenradeln: wenig Steigungen, meistens guter Straßenbelag, fast immer ein ausreichend breiter Standstreifen (Shoulder) - und der Mississippi River fast immer in Rufweite. Es gibt nur eine Einschränkung, die uns trotz pannensicherer Reifen zwei Platten innerhalb von 24 Stunden beschert hat: Im Abrieb von LKW-Reifen sind auch feine, aber bösartige Metallsplitter enthalten. Diese Reifenkiller sammeln sich zu Tausenden auf der Standspur.

Dem Gesetz der großen Zahl folgend ist ein Platten nur eine Frage der Zeit. 99,95 % dieser Splitter liegen entweder nicht in der Spur des Radlers oder der Reifen rollt einfach drüber weg, nimmt sie vielleicht auch mal eine Umdrehung mit - aber sie richten kein Unheil an. Aber irgendwann passiert es doch und einer dieser elenden Splitter bohrt sich in den Mantel. Bei einer Länge von ca 1 cm hilft auch der beste Pannenschutz nichts. Ohne Zange bekommt man die Dinger auch gar nicht mehr aus dem Mantel. Bei den Pannenschutzreifen zieht man dann wie bei einer Zahnextraktion ziemlich kräftig, bis man den Übeltäter entfernt hat.

Wer nur den Schlauch flickt oder wechselt, nicht aber den Mantel auf spitze Gegenstände überprüft, hat es nicht besser verdient und wird nach etwa 200 Meter erneut mit einem Platten stehen bleiben. Diesen Fehler macht jeder nur ein einziges Mal. Das Problem dieser Abriebsplitter kannte ich schon von meiner ersten großen USA-Reise und war mit VIER Ersatzschläuchen ausgerüstet (zwei pro Rad). Die Splitter finden sich nur auf Straßen (bzw. deren "Shoulder") mit hohem LKW-Aufkommen. Meine ernsthafte Empfehlung für jeden, der in den USA Langstreckentouren fahren will: Mindestens zwei Ersatzschläuche (pro Fahrrad) auf Vorrat haben und diesen Vorrat nach jeder Panne sofort wieder aufstocken. Ich habe die allerbesten Erfahrungen mit dem "Schwalbe Marathon Plus" gemacht, der (fast) alles im wörtlichen Sinne wegsteckt. Jedesmal wenn das Rad unrund gelaufen ist und dieses rhythmische Klick-Klick-Klick zu hören war, habe ich die Reifen nach diesen Splittern abgesucht, die Findlinge mit der Zange herausgezogen, bin wieder auf's Rad gestiegen und weiter gefahren. Beim hiesigen Radhändler bekommt übrigen man keine Schwalbe-Reifen. Jeder kennt sie oder hat von ihnen gehört, aber keiner hat sie auf Lager. Aber bei Amazon.com (nicht .de)! kann man sie (und viele andere Rad-Teile) bestellen. Notfalls per Express ins Motel oder zum Campingplatz liefern lassen und zwei Tage später ist Weihnachten.

Nach all dem technischen Gequake noch ein paar Bilder der heutigen Etappe:

In Ferryville hat man mit viel Liebe diese Aussichtsplattform geschaffen. Hier ans Geländer lehnen und einfach nur hinaus schauen, geht unter die Haut. Trotz Autos wird es still.


In Prairie Du Chien ist mir dieser leicht aus der Mode gekommene Traktor aufgefallen, an dem eines der in den USA beliebten fahrbaren Häuser hängt.


Das wäre doch ein ideales Konzept für all die Deutschen, die es zwar im Urlaub immer ins Ausland zieht, wo dann aber bis aufs Wetter alles so wie zuhause sien soll. Wozu der Stress mit dem Wohnwagen, wenn ich auch mit dem HAUS verreisen kann? Zugegeben, der Jaufenpass wird knifflig und der Tauerntunnel ziemlich eng. Aber Holland ist von fast jeder deutschen Stadt gut zu erreichen und in der Hauptreisezeit sollten sich dort auch eine Menge geeigneter Stellplätze finden lassen.

Ich mag lustige Verkehrs- oder Hinweisschilder und schließe mich wieder einmal Siegfried Zimmerschieds Behauptung an: "Die Satire holt die Realität niemals ein." Ich wüßte zu gern, ob sie das das Schild entfernen, aus "09" ein "10" machen, das Motel endlich bauen oder wenigstens den Schutthaufen beseitigen, bevor die Leute auch noch ihre ausgedienten Fernseher und Couchgarnituren dazu stellen.



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