Das Buch zur Tour (ANKLICKEN)

10. August

Paul Bunyan Trail: Teil 3 (Walker, MN - Backus, MN)



Es gibt ihn also doch, den Sommer in Minnesota. Nachdem wir vergangenes Jahr schon den „worst summer since Menschengedenken“ in Südengland erwischt hatten, hörten wir die letzten Tage hier in Minnesota wieder etwas vom „worst summer in a loooong time“. Heute war es weder „worst“ noch „bad“ sondern einfach nur Sommer. Viel blauer Himmel, ein paar verschreckte Wölkchen, 25 Grad Celsius, leichter Wind.

Einziger Wermutstropfen sind die Mücken. Unterschreitet der Radfahrer 15 km/h, gehen Sie zum Angriff über. Als wir heute rund 15 Kilometer Hügellandschaft zu bewältigen hatten, war 15 Km/h nicht immer zu halten. In einer Drogerie hatte Angie vorsoglich eine große Sprühdose „Backwoods Cutter“ gekauft. Auf dem Emblem sind zwei Wanderer, ER und SIE, zu sehen, die unerschrocken und forschen Schrittes in kurzen Hosen und T-Shirts bergan streben, obwohl die Welt ringsum Myriaden von Insekten für die Furchtlosen bereit hält. Ermutigend.

Um den Verkäufer mit eloquentem Englisch zu beeindrucken, hat Angie nach einem „Mosquito Repellent“ gefragt. Worauf ein etwas ratloser Verkäufer zurück gefragt hat: „You mean… Bug Spray?“ Yes, we mean. Das erstandene Bug Spray ist laut Aufdruck wasserfest, hält bis zu 8 Stunden vor und soll laut Aufdruck selbst diejenigen Mosquitoes in die Flucht schlagen, welche den West Nil Virus übertragen. Das ist ja allerhand, ein schlaues Bug Spray! Ich bin beeindruckt.


Trotz Ganzkörperbesprühung samt Nachsprühen von Radhose, Trikot, Socken, Helm und Schuhsohlen werde ich 3 mal gestochen. Durch die Radhose! Dort, wo man nicht hinsieht, aber sitzt. Diese feigen Insekten! Also werde ich morgen auch noch den Sattel einsprühen. Ha! Obwohl es juckt wie Hölle, bin ich dennoch beruhigt, weil ich ja weiß, dass es keine Mücken mit dem West Nil Virus sein können. Die hätte das Spray erkannt und verjagt. Die Sprühdose war für 4 Wochen gedacht. Wenn ich Glück habe, hält sie fünf Tage. Mein Freund Oli wird nach der Lektüre dieser Episode von Ohr zu Ohr grinsen.

In „Hackensack“ stoßen wir auf Diane, Paul Bunyans Freundin. Hackensack ist eines von vielen verschlafenen Dörfchen entlang des Paul Bunyan Trails, das an die berühmte Szene aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ erinnert: Ein verlassener Bahnhof im Nichts, knarrendes Holz, irgendwo quietscht ein rostiges Scharnier und bis auf ein paar finstere Gestalten ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen.


Ich filme eine im Wind flatternde Fahne, weil sonst nichts zu filmen ist. Was kein Problem ist. Im Gegenteil. Die Stille ist einfach noch so ungewohnt, dass sie mich richtig nervös macht. Das wird sich ändern. Nach drei Wochen beginnt das richtige Loslassen, nach vier Wochen gehen die Augen auf, nach fünf die Ohren und dann ist der Übergang vom Urlaub zum Reisen vollzogen und ich bin unterwegs und nicht mehr auf Achse.

Nach ein paar Stunden im Sattel ist es eine unglaubliche Wohltat, die bloßen Füße in einem der 10.000 Seen Minnesotas zu kühlen. Lange Zeit sitzen wir am Ende dieses Steges und gucken hinaus in das glitzernde tiefblaue Wasser.


Die letzten 15 Kilometer bis Backus legen wir dank Rückenwind und leichtem Gefälle in Rekordzeit zurück. Eigentlich wollten wir heute campen, und zwar im „Rudger Pine Mt Resort“, einem in den höchsten Tönen gelobten Campingplatz. Aber wie so oft kommt dann doch alles anders. Ich habe in den Monaten der Vorbereitung eine Menge Kleinkram in das Fahrrad-GPS einprogrammiert. Unter anderem auch die „Bayside Cabins“ in Backus. Bayside … das klingt verdammt nach Wasser. „Schauen wir uns das doch einfach kurz an, ja?“ Und so kommt es, dass ich jetzt mit Blick auf genau diese Schaukel und diesen See den heutigen Tagebucheintrag tippe. Jetzt: das ist 21:24 Uhr Ortszeit. Könnte ich Geräusche tippen, würde ich jetzt aufhören zu schreiben; so still ist es. Genau der richtige Zeitpunkt für ein eisgekühltes Budweiser.


2 Kommentare:

  1. AH, da sind sie ja - die Mücken!

    Ich werde meine Planungen also so gerade rechtzeitig vor Buchung eines Flugtickets in den Müll werfen.

    Danke der Warnung - dachte ich es mir doch..

    AntwortenLöschen
  2. Na - ausweislich http://azoren2007.blogspot.com/ hab ich das doch nicht gemacht - und das is joot so: Dank des Reisebeginns am ersten Montag im September fahre ich immer huebsch mit dem ersten frost der die laestigen Viecher killt.

    Ach ja, das ae ist der Beweis das ich tasaechlich hier an einem der unzaehligen PS's der St Cloud State University tippe, denn auf amerikanischen Tastaturen sucht der Deutsche Finger die ae's vergeblich...

    AntwortenLöschen