Das Buch zur Tour (ANKLICKEN)

11. Oktober

New Roads, LA - Plaquemine, LA

Tages-Km: 87
Gesamt-Km: 3.580
Streckenprofil: flach
Wetter: starker Regen, mittlerer Regen, leichter Regen, Nieselregen, kein Regen
Temperatur: 16 / 23° C


Sharon Stone spielt die Hauptrolle in einer zu recht unbekannten Schnulze aus dem Jahr 1992 - sensiblere Naturen würden wohl von einem erschütternden Beziehungsdrama sprechen. Handlung und Inhalt tun hier nichts zur Sache, aber den Titel schraube ich ab und nagle ihn über den heutigen Tag:

„Und die Tränen vergehen im Regen“

ZWEI lange Tage habe ich in New Roads ausgeharrt und erst auf Sonne, dann auf Nicht-Regnen und schließlich wenigstens auf nicht-mehr-so-heftig-regnen gehofft. „Höhö“ lacht Petrus „Atheist! Dir werd‘ ich geben, Höhö!“ Es hilft nichts. Im strömenden Regen fahre ich die ersten zwei Kilometer zum McDonald’s, wo ich zwangsfrühstücke. Außer dem MÄCK gibt’s hier nur - kann man das überhaupt so sagen? - Gleichwertiges.

Gestern war ich auch schon im MÄCK und habe mir das Deluxe-Breakfast für 4,98 $ gegönnt. Der Kaffee ist gut, der Rest - Oli aufgepasst - füllt die Kammern. Weil die Deluxe-Version jedoch auch Würstchen vorsieht, habe ich diese Zutat gestern abbestellt. Kein Problem. Heute das selbe Spiel, aber mit anderen Regeln:
How can I help you?
I take the Deluxe-Breakfast, but without the meat - please.” Die Dame stutzt und ich höre ein paar Relais in ihrem Kopf klicken und klacken.
No meat?“ fragt sie.
Ich lächle: „Yes Madam, no meat. I am a vegetarian and therefore I want the Deluxe WITHOUT the meat.” Vier Bedienstete sehen mich mittlerweile an wie einen Außerirdischen. Was ich vermutlich auch bin mit meinen Radklamotten und einer Abneigung gegen Fleisch zum Frühstück. Wieder höre ich Relais klicken und meißle mir das Schwiegersohnlächeln fest ins Gesicht. Umsonst, es perlt an der Dame ab wie draußen der Regen an meinen wasserdichten Packtaschen. Dame 1 dreht sich um und erklärt Dame 2 das Problem. Dame 2 ist hier der Chef im Ring. Auch ihre Relais klacken und klicken.
„Sir, we can’t do that.“ sagt sie nach einer kurzen Bedenkzeit.
„Yesterday - same place, same game - they could. How come that?” sage ich.
“Sir, it’s like the menu says." sagt sie.
Die kommt mir bei dem Sauwetter grade recht. Ich tausche mein Schwiegersohnlächeln gegen das Terminatorgesicht aus.
Madam, just tell me what I have to say to get a Breakfast without any meat and I will repeat your words exactly. Wait a sec! I could of course order all the things of the Deluxe as a sequence of single orders and simply don’t mention the meat. How about that?
Dame 2 sieht Licht am Ende des dunklen Gedankentunnels. Natürlich! Logisch! Klar! Der Kerl mit den lustigen Klamotten und den seltsamen Essgewohnheiten kann die Dinge, die er mag, ja auch einzeln bestellen und die Würstchen, die er NICHT mag, NICHT bestellen.
We can do that“, sagt Dame 2.
Well“, sagt jetzt wieder der Schwiegersohn, „to shorten the ordering process, I take the Deluxe-Breakfast, but without the meat - please”. Na also.
Da ich mir noch das Notebook aus den Radtaschen holen will, während die Küche mein Frühstück mit Liebe arrangiert (Ei an Styropor, Brot an Plastik, Pancake an Papier, Hand an Essen), drehe ich mich in Richtung Ausgangstür. Als ich dabei den irritierten Blick von Dame 2 aus den Augenwinkeln wahrnehme, kann ich der Versuchung einfach nicht widerstehen und sage im besten Bariton, den ich zustande bringe: „I’ll be back.“ Herminator, ich.

Petrus dreht den Hahn nun vollends auf und ich mache mich im prasselnden Regen auf den Weg. Meine Regenüberschuhe habe ich mit einer zusätzlichen Schicht Plastiktüten verstärkt, damit ich endlich mal mit trockenen Füßen ankomme. Außerdem dauert es immer so lange, die Schuhe wieder trocken zu fönen. Je nach Qualität des Föns brauche ich pro Schuh drei bis vier Überlastungsschutz-Abschaltungen.


Im Zusammenhang mit Schuhen noch eine kurze Geschichte, die ich vor einigen Tagen erlebt, aber bisher noch in keinem Blog untergebracht habe. Drei Jugendliche - zwei Jungs, ein Mädchen - gehen während einer Brotzeitpause neugierig auf mich zu. Die Jungs fragen mir Löcher in den Bauch: welche Übersetzung ich fahre, welche Reifen, warum einen Rückspiegel, wo ist die Gangschaltung, warum zusätzliche Bremshebel, wie viele Gänge hat die Schaltung, wie viele Zähne das große, mittlere und kleine Kettenblatt, wie hoch ist der Luftdruck in den Reifen, was ist in den Packtaschen, wie befestigt man den Anhänger, was ist ein Schnellspanner, welches Werkzeug habe ich dabei und und und.

Das Mädchen schweigt zu alledem. Als die Jungs alle technischen Details kennen, die auch ich kenne und nicht mehr wissen, was sie noch fragen könnten, sagt das Mädchen lapidar: „I like your shoes.“ Dann drehen sich die drei um und kümmern sich wieder um das, worum sich Jugendliche halt so kümmern.

Zurück zur heutigen Etappe. Das folgende Bild mag erklären, warum Amerika technisch längst nicht mehr die Weltmacht ist, die es einmal war:


Dieses Schild steht vor einer Schule und verbietet ausdrücklich das Tragen von Schusswaffen auf dem Schulgelände. Selbst im Schulbus ist es nicht erlaubt.


Soll man lachen oder weinen? Das erinnert mich an die Fragen, die man bei der Einreise in die USA beantworten muß, zum Beispiel: "Kommen Sie in der Absicht, terroristische Anschläge zu verüben?". Ich frage mich jedes Mal, wie viele mit JA antworten und was dann passiert.

Lousiana ist im Prinzip ein einziges Sumpfgebiet. Deshalb gibt es hier auch fast nur oberirdische Gräber. Erdbestattungen wären in Wirklichkeit Wasserbestattungen und nach heftigen Regenfällen sähe es aus wie in Graf Draculas Swimming Pool. (Radlhans, wär das nicht ein Buchtitel für Dan Shocker?)



Im Land von Rhett und Scarlett

Wegen des Wetters fällt es mir heute verdammt schwer, das Glas halb voll und nicht halb leer zu sehen. Der Streckenabschnitt zwischen Livonia und Plaquemine gehört zum Schönsten, was man als Radler erleben kann. Südstaaten pur. Wie sehr wünsche ich mir Sonne. Ich will Farben und Kontraste, Funkeln und Glitzern, Leuchten und Schimmern! Aber selbst in der bleiernen Twighlight Zone komme ich aus dem Staunen nicht heraus und in jedem Dorf zwischen Livonia und Plaquemine wissen sie jetzt, was ein Bayer vor sich hin brüllt, wenn er begeistert ist. Leider bekomme ich die Fotos nicht so hin wie ich sie gerne hätte. AHHRGHH. Trotzdem, ein paar davon müsst ihr ansehen.

Vergesst die Deutsche Eiche! Die lousiana-ischen Eichen… sie sind… diese Eichen hier … sind unbeschreiblich. Mein Fahrrad schrumpft auf Matchboxauto-Größe.


Uralt, majestätisch, ausladend, bewachsen und behangen mit allerlei Naturschmuck stehen sie Spalier entlang der Straßen und Zufahrten zu den typischen Südstaatenhäusern, den sogenannten „Antebellum-Häusern“. Lateiner vor! („De bello gallico, oda hä“, wie wir vom Bauhof in der Brotzeitpause immer sagen). Viele dieser Vorkriegshäuser (erbaut vor 1861, dem Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges) schmücken sich entweder bescheiden mit einzelnen Eichen …


… oder protzig mit kompletten Alleen.



Petrus glaub mir, das zahle ich Dir heim!

4 Kommentare:

  1. Tja Hermann, die vegetarische Bestellerei in den Staaten scheint wohl etwas anders angelegt als Hierzulande. Da erinnere ich mich doch gerne an Meg Ryan in "Harry & Sally" als sie der Kellnerin folgendes vortrug: "I'd like the chef salad, please, with the oil and vinegar on the side. And the apple pie a la mode....But I'd like the pie heated, and I don't want the ice cream on top. I want it on the side. And I'd like strawberry instead of vanilla if you have it. If not, then no ice cream, just whipped cream, but only if it's real. If it's out of a can, then nothing."
    Wenn Du SO bestellst, bekommst Du ein richtig geiles Essen, zumindest war's im Film so. Die Tischnachbarin kürzte dann ja ihre Bestellung ab mit: "I'll have what she's having." - also kann's ja nicht verkehrt gewesen sein ...

    Was das Wetter anbelangt, so mag ich Dir wieder ein wenig Mut zusprechen: Es gibt (atheistische) Wetterfrösche, die ab Dienstag trockenes Wetter für den Raum New Orleans prognostizieren! Ab Freitag sogar dann richtigen Sonnenschein! Ich würd's Dir gönnen!

    AntwortenLöschen
  2. Hi Herm (Monty Python: "darf ich Dich Herm nennen? Hermi? Oder Pussycat?"), das mit dem Romantitel ist gut. Könnte dann so beginnen: "Don der Schweißer konnte dem bläulichen Schimmer nicht widerstehen; er musste einfach eine Runde schwimmen. Es sollte die letzte ..."

    Und zwei Anmerkungen an Tino:
    1. "I'll have what she's having." bezieht sich vor allem auf das, was so ein Essen hervorruft ...
    2. Sonnenschein für Hermann? Ich finde, dass er bei Starkregen besser schreibt. Also weg mit der Sonne, her mit den Wolkenbrüchen!

    AntwortenLöschen
  3. @Radlhans:
    zu 1. genau DAS meinte ich mit geilem Essen ...
    zu 2. Ich finde, er hat mal wieder Sonne verdient, sonst fällt der gute Atheist womöglich noch vom Glauben ab (wenn er doch schon mit Petrus hadert)...

    AntwortenLöschen
  4. Da hatten die Damen im Mäckes aber Glück. Die kannten wohl die Szene aus "Falling down" nicht, als Michael Douglas gewisse Probleme hat, sich ein Frühstück zu bestellen. Diese Szene soll übrigens auf einer wahren Begebenheit beruhen, die sich seinerzeit im östlichen Bayern zugetragen habe. Altersmilde?

    AntwortenLöschen