Das Buch zur Tour (ANKLICKEN)

05. Oktober

Vicksburg National Military Park

Tages-Km: 23,5
Gesamt-Km: 3.200
Streckenprofil: hügelig
Wetter: bedeckt / nieselig
Temperatur: 14 / 22° C



Ausflug in die Vergangenheit

Während der langen Vorbereitung auf diese Tour habe ich mich unter anderem auch mit dem amerikanischen Bürgerkrieg beschäftigt und zumindest den ersten von drei Bänden des gewaltigen Werks „The Civil War. A Narrative“ von Shelby Foot (als Hörbuch) gelesen. Was die unzähligen Namen, Orte und Details des Buches angeht, so halte ich es mit dem Radlpeter, der in seinem unnachahmlichen Talent für Real-Satire einmal zu einer gemeinsamen Freundin gesagt hat: „Weißt Du Gaby, wir haben zwei Dinge gemeinsam. Erstens vergessen wir viel und … und was war gleich wieder das zweite?

Genau so ergeht es mir mit den unzähligen Details zum „Civil War“, die ich gehört/gelesen habe. Kristallklare Fakten schmelzen dahin wie Schnee in der Frühlingssonne. Aber die Worte „Vicksburg“ und „Ironclad Gunboats“ ragen noch deutlich aus dem Sumpf des Vergessens hervor, als ich heute am späten Vormittag meine Zeitreise starte und unter der sich öffnenden Schranke hindurch in den Vicksburg Military Park radle. Der Park ist als 22 Kilometer langer Rundkurs angelegt und man folgt einer bestens asphaltierten Einbahnstraße im Gegenuhrzeigersinn mitten durch das Schlachtfeld von von 1863. Nach über vierzig Tagen Belagerung und Dauerbeschuß ergaben sich damals die Konföderierten. Am 04. Juli 1863 unterzeichnete Lt. Gen. John C. Pemberton die Kapitulation. (Die Schlacht von Gettysburg fand nur einen Tag vorher statt! Diese beiden Ereignisse werden von vielen als Wendepunkt im amerikanischen Bügerkrieg gewertet.)

Die kurvige Straße windet sich in engen Schleifen durch den hügeligen Kriegsschauplatz nördlich von Vicksburg, was den Park gleichermaßen ansprechend wie gespenstisch macht, wenn man bedenkt, wie viel Blut und Tränen hier geflossen sind. Mir fehlt jegliches Verständnis für Kriegsromantik oder Landsertum. Begriffe wie Blut, Boden und Ehre klingen für mich so hohl wie die Köpfe, in denen sie ihr Unwesen treiben. Deshalb lasse ich auch die vielen Statuen und Büsten mit kantigen Kiefern und erhobenen Häuptern links und rechts liegen und nehme einzig die Atmosphäre in mich auf. Eine bizarre Mischung aus Beschaulichkeit und Horror, erhabener Stille und roher Gewalt.



Die bebilderten Informationstafeln dagegen sehe ich mir genauer an. Dabei bin ich auf die folgende unglaubliche, aber wahre Geschichte gestoßen.

The slave who was blown to freedom“: Unionisten hatten einen Tunnel unter die Stellungen der Konföderierten gegraben und zündeten eine gewaltige Sprengladung mit vielen Toten und Verletzten. Aber EIN Sklave auf Seiten der Konföderierten wurde von der Druckwelle bis hinter die „feindlichen“ Linien in die Freiheit katapultiert; er landete unverletzt bei den Unionisten und war ab sofort unfreiwillig ein freier Mann.“

Mit der Konstruktion der „ironclad gunboats“, der gepanzerten Kanonenboote wurden Dampfschiffe zu Dampf-Kriegsschiffen umfunktioniert. Auch Mark Twain erzählt in „Life on the Mississippi“ von diesen schwerfälligen Ungetümen.


Die „USS Cairo“ war das Flaggschiff einer Flotte von sieben ironclad gunboats und wurde benannt nach eben jenem Cairo, durch das ich vor kurzem erst geradelt bin. Das ist sie:


Die USS Cairo hat sich den zweifelhaften Ruhm erarbeitet, als erstes ironclad gunboat von einer ferngezündeten Mine versenkt worden zu sein. Innerhalb von zwölf Minuten sank die USS Cairo auf den Grund des Yazoo Rivers, der bei Vicksburg in den Mississippi River mündet. Ums Leben kam dabei übrigens niemand.

Der gesunkene Gigant geriet in Vergessenheit und der Yazoo River überzog das Schiff im Laufe der Jahre mit einer immer dicker werdenden Schickt aus Schlamm. Irgendwann wußte niemand mehr so genau, wo das Ganze überhaupt geschehen war.

Erst in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stöberten ein paar Enthusiasten mit viel Geduld, klugen Schlüssen und primitiven Werkzeugen das durch den Schlamm bestens konservierte Wrack auf. Geborgen wurde die USS Cairo allerdings erst einige Jahre später und ist heute die Hauptattraktion des Vicksburg Military Park:


Nur wenige hunderte Meter neben ihrem ehemaligen Grab trohnt das restaurierte Dampf-Kriegsschiff jetzt unter einem regensicheren Zeltdach. Der Besucher kann durch das Innere des Schiffes laufen und über den Irrsinn staunen, den sich Menschen ausdenken, um möglichst vielen anderen Menschen das Lebenslicht auszublasen.

3 Kommentare:

  1. „The slave who was blown to freedom“: Da sieht man, dass du dir zuviele Action-Filme reinziehst (und schon zu lange in den US of A bist), weil du sowas zwar für "unglaublich", aber dennoch "wahr" hältst. Hermann: Nur in Filmen können Menschen vor der Druckwelle von Detonationen davonlaufen oder, wenn sie schon von ihr erfasst werden, nach 100m Flug durch die Luft sich bei der Landung dreimal abrollen, aufstehen, die Kleidung abputzen und einen trockenen Martini bestellen.

    "von der Druckwelle bis hinter die „feindlichen“ Linien in die Freiheit katapultiert": Wie weit waren diese Linien denn etwa entfernt (wenn die Unionisten die Sprengladung nicht gerade unter sich selbst angebracht haben)? 100m? 200? 500? Welche Sprengwirkung müsste eine "gewaltige" Sprengladung haben, um einen Menschen so weit zu "schießen"? Was würde mit ihm passieren, wäre er ungeschützt solchen Kräften ausgesetzt, also: In wievielen Teilen würde er dort ankommen? Und wenn er als Ganzes ankäme: Wie übersteht man die Landung nach einem 200m-Flug? Blood & Guts ...

    Dass Amerikaner sowas glauben: Geschenkt. Aber Du? Ts ts ts ...

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  2. Lieber Radlhans,

    nun, die Geschichte ist tatsächlich wahr. Es gibt Fotos und einen Zeitungsbericht (von damals :-) und nicht von der BILD. Die feindlichen Linien waren teilweise nicht mehr als "50 feet" voneinander entfernt, also rund 15 Meter. Die hätten auch Steinschleudern verwenden können.

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  3. Auf der Info-Tafel steht "When asked how high he had gone, he replied: 'about 3 miles.'", also ist er nicht weit sondern 'nur' hoch geflogen. Und bei 4,5km Gifelhöhe hätte er noch nicht mal einen Eintrag im Guinness-Buch, da haben Menschen schon anderes (höheres) überlebt.
    Was mich da schon eher stutzig macht, ist die (Milchmädchen-) Rechnung bezüglich seiner Startgeschwindigkeit. Wenn man alle Reibung mal ausschließt, und nur kinetische und potentielle Energie gleichsetzt, dann wäre seine Startgeschwindigkeit die Wurzel aus 2x Fallbeschleunugung x Gipfelhöhe. Das geht in dem Fall im Kopf und ergibt 300 m/s !!! Das ist schon fast Schallgeschwindigkeit und spätestens hier beginnt die Mär ...
    Ich glaub mal die Wahrheit liegt wieder mal zwischendrin. Wie wär's mit "Der Kerl wurde von der Wucht der Explosion 15 Meter weit durch die Luft geschleudert, und weil er zuvor schon nah am Gegner stand, fiel er halt hinter demselben wieder runter" Klingt weniger heroisch, hat keinen Pathos, kurz - unamerikanisch.

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